Bremer Rat und Tat Zentrum

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Das Bremer Rat und Tat Zentrum für Schwule und Lesben

Inhalt

Die Eröffnung am 3. Dezember 1982


Das Mitarbeiter-Team


Das erste Domizil - ein Provisorium


Rechtsradikale Drohungen


Das drohende Aus: Wir sollten einem Radweg weichen


Das neue Domizil in der 
"Theodor-Körner-Str. 1"


Die schwulenpolitische Arbeit


Das siebenjährige Jubiläum


Die an Aids verstorbenen ehemaligen Mitstreiter


Themenverwandte Links


Fünf Jahre Rat&Tat Zentrum Bremen

Ich will hier natürlich der aktuellen Homepage des Rat und Tat Zentrums für Schwule und Lesben nicht vorgreifen. Die findet ihr hier (auf den Button klicken):

[Rat und Tat Zentrum]

Ich habe mir statt dessen überlegt, was ich auf dieser Webseite präsentieren sollte angesichts der Tatsache, bereits seit nun schon zehn Jahren kein Vorstandsmitglied mehr in diesem Verein zu sein. Was liegt da näher, als eine kleine Reise in die Vergangenheit zu starten, eine Reise hin zu dem Zeitpunkt, als für Rat & Tat alles begann. Ich habe also alte Aktenordner aus verstaubten Regalen geholt, irgendwelche Kisten aus den hinterletzten Ecken gezogen und nach alten Fotos gesucht und muss schon sagen: Es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Ich hoffe, Ihr habt ihn auch.

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Die Eröffnung am 3. Dezember 1982

Wie die Bremer Nachrichten meldet der Weser Kurier am 11. Dezember 1982 die Gründung des Bremer "Rat und Tat Zentrums für Homosexuelle". Der Berichterstattung war eine Pressekonferenz vorausgegangen. Dort hatte der hinzugeladene Sexualwissenschaftler Professor Helmut Kentler aus Hannover die Notwendigkeit einer derartigen Einrichtung persönlich unterstrichen. Er sei auch homosexuell, habe es aber sein halbes Leben lang nicht gewagt, sich zu seiner Homosexualität zu bekennen. Die Frankfurter Rundschau titelt denn auch am 13.12.1982 über die Eröffnung des Bremer Rat&Tat Zentrums mit dem Titel "Jeder zweite hat so eine Leiche im Keller".1


Weser Kurier vom 11.12.1982

Den Bedarf für ein Beratungs- und Kommunikationszentrum leiteten wir seinerzeit gänzlich aus der gesellschaftlichen Diskriminierung ab. Die Liberalisierung des Paragrafen 175 gut ein Jahrzehnt zuvor hatte die Situation der Homosexuellen nicht grundlegend verbessert. "Bewußt schwul leben zu wollen, bedeutet noch immer, sich seinen Lebensraum gegen innere und äußere Widerstände erkämpfen zu müssen. Viele Homosexuelle sind so isoliert und verängstigt, daß sie noch nie über ihre Probleme sprechen konnten."2  

Offensichtlich ließ sich mit der gesetzlichen Entkriminalisierung nicht gleichzeitig die öffentliche Meinung von einem Tag auf den anderen umkrempeln. "Homosexuelle haben deshalb noch immer gegen Vorurteile und Diskriminierung zu kämpfen - am Arbeitsplatz, im Wohnbereich, in der Öffentlichkeit. Isolation, Kontaktschwierigkeiten und die ständige Angst vor Diskriminierung gehören dazu ebenso wie die Probleme innerhalb der nächsten Familienangehörigen und die für die Betroffenen oft unlösbare Frage: Wie sage ich es meinen Eltern?"3 An dieser Beschreibung schon wird deutlich, dass die Lesben in dem Begründungszusammenhang genauso wie in der Konzeption nicht vorkamen. Sie wollten es damals nicht, weil sie es vorzogen, sich lieber innerhalb der Frauenbewegung zu engagieren.

Den geschilderten Problemlagen entsprach das Angebot. Der Schwerpunkt lag hier eindeutig auf der Beratung bei persönlichen Problemen. "Nach statistischen Erhebungen sind Homosexuelle in stärkerem Maße als der Durchschnitt der Bevölkerung selbstmord- und suchtgefährdet - ein Umstand, der das Ausmaß des Problemdrucks deutlich macht, unter dem viele Betroffene stehen. Bei der Bewältigung dieser Schwierigkeiten sollen sie in Bremen künftig Hilfe erhalten: durch das 'Rat und Tat Zentrum für Homosexuelle', das jetzt auf den Häfen 104, in den Räumen der ehemaligen Drogenberatungsstelle, eröffnet wurde. Was diese Einrichtung auf Bundesebene zu einem Novum macht, ist das Selbsthilfe-Konzept: Hier werden Homosexuelle durch Gleichbetroffene beraten, die Probleme und Diskriminierungen aus eigener Erfahrung kennen."4 "Für Ihre Aufgabe wurden die Mitarbeiter von einem erfahrenen Psychologen monatelang geschult, der den Verein auch weiterhin betreuen wird."5

Jahresheft "Ein Jahr"

"Aber was sie vom Großteil der Betroffenen unterscheidet, ist ihre Bereitschaft, offen zu der Tatsache zu stehen, dass sie einer Minderheit angehören. Dieses Jasagen zur eigenen Situation, so erläutert Egbert Schmidt, einer der Mitarbeiter, sei letztlich eine wichtige Voraussetzung dafür, dass sich auf lange Sicht auch die Meinung der Öffentlichkeit wandele. Denn abnorme Zerrbilder, die den Schwulen zur Witzblattfigur stempelten, seien heute immer noch kennzeichnend für die weit verbreitete Vorstellung von Homosexualität. Sie belasteten begreiflicherweise auch das Selbstverständnis der Betroffenen, die eigene homosexuelle Veranlagung zu akzeptieren."

(...)

Im 'Rat und Tat Zentrum' ist ein regelmäßiger Telefondienst (70 41 70) ebenso geplant wie das Angebot von Einzel- und Gruppengesprächen. In Selbsterfahrungsgruppen soll es den Betroffenen ermöglicht werden, ihre Probleme auszusprechen und ein Stück Klarheit über die eigene Situation zu gewinnen. Auch Eltern und Angehörige können sich im Zentrum beraten lassen. Bei Bedarf sollen auch regelrechte Elterngruppen eingerichtet werden."6

Aufkleber

Etwas fremd kling in den Ohren, dass zu Beginn von einer "Klön- und Kaffeestube" die Rede war. "Die Klön- und Kaffeestube 'Homolulu', noch nicht ganz fertig, soll Gespräche der Besucher untereinander fördern."7 Damit will man eine Situation ändern, die ich selber damals wie folgt charakterisiert habe: "Nur zu bestimmten Zeiten und an bestimmten Orten kann  man jemanden kennen lernen."8

"Eine Aufklärung der Öffentlichkeit mit dem Ziel, Vorurteile abzubauen und schließlich eine ersatzlose Streichung des Paragrafen 175 zu erreichen, gehört ebenfalls zum Programm der Bremer Homosexuellen-Selbsthilfe-Initiative. Bei der gestrigen Vorstellung der neuen Einrichtung plädierte auch der Sexualwissenschaftler Professor Helmut Kentler für eine solche Lösung: "Ich bin selbst so", sagt er, "und ich könnte einen Roman darüber schreiben, wie lange ich gebraucht habe, um das öffentlich zu sagen."9

Anmerkungen

1 Lilo Weinsheimer, Frankfurter Rundschau vom 13.12.1982. Zurück zur Fn. 1

2 'Den Lebensraum erkämpfen' - Beratungs- und Kommunikationszentrum für Homosexuelle eröffnet, Bremer Nachrichten vom 11.12.1982. Zurück zur Fn. 2

3 Sie sind immer noch diskriminiert - Homosexuelle eröffneten 'Rat und Tat Zentrum' als Selbsthilfe-Initiative, Weser Kurier vom 11.12.1982. Zurück zur Fn. 3

4 Weser Kurier vom 11.12.1982. Zurück zur Fn. 4

5 Bremer Nachrichten vom 11.12.1982. Zurück zur Fn. 5

6 Weser Kurier vom 11.12.1982. Zurück zur Fn. 6

7 Bremer Nachrichten vom 11.12.1982. Zurück zur Fn. 7

8 Weser Kurier vom 11.12.1982. Zurück zur Fn. 8

9 Weser Kurier vom 11.12.1982. Zurück zur Fn. 9

Das Mitarbeiter-Team       Zurück zum Inhalt       Zurück zum Beginn

Der Eröffnung ging natürlich ein langer Vorbereitungsprozess voraus. Der "erfahrene Psychologe", der uns "im Rahmen eines Fortbildungsangebots" auf unsere "ehrenamtliche Beratertätigkeit vorbereite(t)" hatte, war Klaus Pohlmeier, damals noch bei der katholischen Beratungsstelle "Offene Tür" tätig. Das Foto hier zeigt die Gruppe im Jahr 1983 vor dem schwulen Bildungszentrum und Tagungshaus "Waldschlösschen" in Gleichen-Reinhausen bei Göttingen. Dort, aber auch an anderen Orten, gingen wir häufig 'in Klausur'.

Das Mitarbeiterteam

Von links nach rechts: Siegmar Krafczyk, Egbert Schmidt, Manfred Melnik, Rolf Kempf, 
Jörg Hutter mit langem Haar, Gerd Bovenschulte, Helmut Koch, Ulli Steinbacher, 
Hellmut Lühmann, Fred Jörke, Henner Schulze, Klaus Pohlmeier.

Im Winter 1983/84 trafen wir uns zur Klausur in Hooksiel an der Nordsee. Dort entstand das folgende Foto.

Rat_und_Tat Team in Hooksiel

Von links nach rechts: Jörg Hutter, Achim Schulte, 
Rainer Krokat, Peter Christoffersen, 
Hellmut Lühmann und Ulli Steinbacher

Das erste Domizil - ein Provisorium  

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Das Haus Auf den Häfen 104 stellte die erste Anlaufadresse dar. Mit der Nummer 103 bildete es einen aus dem Krieg verbliebenen Häusertorso, den wir allerdings von innen mit Liebe und vor allem mit "gutem Geschmack" einrichteten. Die Decke in der Teestube, so hieß das Café damals noch, leuchtete in Atlantik-Blau, eine Wahl, die uns Stunden interner Diskussion gekostet hat. Die folgende Szene stammt aus der damaligen Teestube, entstanden wahrscheinlich am einjährigen Jubiläum im Jahr 1983.

Von links nach rechts: Henner Schulze, Ulli Steinbacher, Jochen Schütt, 
Klaus Hackbarth, Wolfgang Abeln sowie die mir namentlich nicht mehr bekannte 
Person rechts in der Mitte

Die folgenden Bilder über das Haus Auf den Häfen 104 sind in Miniaturansicht dargestellt. Um sie in Originalgröße zu sehen, müssen sie angeklickt werden.
Zum Vergrößern auf die Miniaturbilder klicken (Click on the miniatures to enlarge the pics)

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Der Name des Cafés "Homolulu" ist übrigens dem ersten bundesweiten schwulen Kongress "Homolulu" in Frankfurt am Main entlehnt. Er fand vom 23. bis zum 29. Juli 1979 stand und mündete in der ersten bundesdeutschen Großdemonstration, die in den Medien auf großes Echo stieß. An dieser Stelle sei etwas Kritik an den heutigen MacherInnen erlaubt. Ich finde es  geschichtslos, den Namen des Cafés in den etwas nichtssagenden Begriff Café Kweer umgewandelt zu haben.

Die folgenden Abbildungen zeigen zum einen eine Ausgabe der damaligen "schwulen tageszeitung Homolulu" sowie eine Getränkekarte aus dem Café. Der Name symbolisiert die Sehnsucht nach einem geschützten Ort der Begegnung und Liebe.

Zeitschrift "Homolulu"

Der Homolulu-Kongress in Frankfurt war Wegbereiter der ersten etablierten schwulen Projekte in Westdeutschland. In seiner unmittelbaren Folge entstand das Tagungshaus "Waldschlösschen" in Gleichen-Reinhausen bei Göttingen sowie das Kommunikations- und Beratungszentrum homosexueller Frauen und Männer in der Kulmer Str. 20 a in Westberlin und das Bremer Rat und Tat Zentrum Auf den Häfen 104. Das folgende Foto dokumentiert die Ideen- und Personenidentität.

Wolfgang Voigt und Ulli Steinbacher auf dem Homolulu-Kongress
Wolfgang Voigt (links) und Ulli Steinbacher auf dem Homolulu-Kongress in Frankfurt/Main 1979

Rechtsradikale Drohungen

Etwas mulmig wurde uns, als wir telefonisch mehrfach rechtsextreme  Bombendrohungen und dann am 29. August 1984 die folgende Postkarte erhielten. Es fällt auf, dass die bzw. der Verfasser nicht nur der deutschen Orthografie nicht mächtig sind bzw. ist (Tot statt Tod), sondern dass die Wahl der Feindgruppen dem altbekanntem Muster folgt. Neben den rassisch definierten 'Untermenschen' werden hier die sozial abweichenden Personenkreise genannt: emanzipierte Frauen, Behinderte, Zivildienstleistende (früher Wehrkraftzersetzer) und schwule Männer. (Vgl. hierzu die Ausführungen unter "Deutscher Faschismus" und meine Veröffentlichungen sowie Lehrveranstaltungen zum Thema Nationalsozialismus.

Rechtsextreme Drohung1

Rechtsextreme Drohung2                              

Die beiden Bombendrohungen hatten den folgenden Wortlaut:

14. Mai 1984: "Morgen Abend um 12.00 Uhr Bombendrohung. Wir vergasen euch alle, wenn wir an die Macht kommen. Schwule nach Auschwitz."

8. September 1984: "So, jetzt hör mal genau zu, du in den Arsch gefickter Jude. Wir werden in den nächsten Tagen vorbeikommen mit ein paar Brandbomben und ein paar französischen Splittergranaten. Wenn du wissen willst, wer wir sind, dann brauchst du bloß nachfragen, wer die Nationalrevolutionäre Arbeiterfront und die Aktionsfront Nationaler Sozialisten Nationaler Aktivisten ist hier in Bremen. Wir wünschen dir alles Gute und einen angenehmen Tod. Tschüss."

In allen Fällen hatten wir seinerzeit Anzeigen bei der Polizei erstattet. Die Ermittlungen wurden eingestellt, da die Täter nicht ermittelt werden konnten. 'Gott sei Dank' ist es bei diesen Drohungen geblieben.

Das drohende Aus: Wir sollten einem Radweg weichen

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Uns war klar, dass wir uns in einem Provisorium aufhielten. Wir hatten die Räume nur unter der Zusage beziehen können, im Falle des Eigenbedarfes von Seiten der Stadt das Haus zu räumen. Trotzdem begannen wir erst einmal mit der Arbeit und hofften, so lange wie möglich in unseren Räumen arbeiten zu können. Als uns dann am 27. Februar 1985 die Kündigung ins Haus flatterte, war die Ernüchterung natürlich groß. Sollte das schon das Ende der erfolgreich gestarteten schwulen (die Lesben kamen erst später dazu) Emanzipationsarbeit sein? Wir beschlossen zunächst, die Räumungsklage abzuwarten. Zudem bemühten wir uns, Mittel für den Kauf einer eigenen Immobilie einzuwerben. Helmut Koch hatte Kenntnis von der Erbschaft eines schwulen Mannes, der sein Vermögen der Stadt zu einem 'sozialen' Zweck vermacht hatte. Uns allen war klar: Damit konnten nur wir gemeint sein.

Rat_und_Tat_auf_der_Straße?

Weser Kurier vom 22. März 1985

Der Weser-Kurier vom 22. März 1985 dokumentiert unseren Kampf um das Überleben. Unter der Überschrift "Sitzt das Beratungszentrum künftig auf der Straße? - 'Rat und Tat' muss Radweg weichen / Keine Räume" berichtet die Zeitung, dass das Rat und Tat Zentrum trotz behördlicher Anerkennung aus dem Eckhaus Auf den Häfen 103/104 verschwinden müsse und sich damit auf der Straße sehe. 

"Bis zum 31. März müssen das Haus und die Kaffeestube 'Homolulu' entsprechend dem Mietvertrag mit der Bremischen Gesellschaft für Stadterneuerung geräumt werden, dem Gebäude droht dann der Abriss. Für 365 000 Mark sollen auf dem Gelände ein Radweg, Stellplätze und ein Grünzug angelegt werden. Für das am 3. Dezember 1982 dort eingezogene Beratungszentrum, das sich als älteste Institution dieser Art in der Bundesrepublik betrachtet, bedeutet der Räumungstermin das vorläufige Aus. Bislang konnten nämlich keine neuen Räume gefunden werden. Entsprechende Angebote der Bremischen erwiesen sich entweder als zu teuer oder als ungeeignet."01

Zuvor hatten wir das Haus mit einem riesigen Banner, Aufschrift 'Das Rat&Tat muß bleiben', stilvoll geschmückt und die Caféräume symbolisch verbarrikadiert. Zudem erklärten wir der Sozialbehörde, dass wir uns trotz rechtlicher Verpflichtung nicht in der Lage sähen, das Domizil fristgerecht zu räumen. Bis eine Lösung der Raumfrage im Viertel gefunden sei, müsse die Sozialarbeit am derzeitigen Standort aufrecht erhalten bleiben. Denn immerhin sahen wir die Stadtgemeinde gegenüber den Besuchern, Mitarbeitern und Ratsuchenden in der moralischen Verpflichtung, uns unter die Arme zu greifen.

Das Rat & Tat muss bleiben

"Schließlich, so die Sprecher und ehrenamtlichen Mitarbeiter des Zentrums, Thomas Mohr und Jörg Hutter, sei die Institution nicht nur fest in die sozialen Dienste integriert, sondern pflege auch eine intensive Zusammenarbeit zum Hauptgesundheitsamt, das die Sachkompetenz der Mitarbeiter anerkenne. So habe das Zentrum auch künftig einen Stellenwert für die Aids-Prophylaxe, die nur in individuellen Beratungen sinnvoll durchgeführt werden kann. Sollte für das Zentrum bald Rat und Tat teuer werden, sind nach Angaben der Sprecher etwa 120 Rat suchende Homosexuelle und an die 100 wöchentliche Kaffeestubenbesucher betroffen." 

Besonders schlimm träfe es, so wie wir damals betonten, eine kleine Gruppe von Behinderten, die damit den einzig möglichen Anlaufpunkt verlöre. Wir machten dem Redakteur deutlich, dass wir in der jetzigen Situation zunächst die Räumungsklage abwarten wollten. In der kommenden Woche seinen zudem Gespräche mit dem Gesundheitssenator Brückner und Sozialsenator Scherf  anberaumt. Dort wolle man dann gegen den drohenden Rausschmiss intervenieren.

Anmerkung 01: Alle in Anführungszeichen gesetzte Textpassagen stammen aus dem Weser Kurier vom 22. März 1985. Zurück zur Fn. 01

 

Die unten in Miniaturansicht abgebildeten Fotos illustrieren die symbolische Blockade des Cafés Homolulu.

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Das neue Domizil in der "Theodor-Körner-Str. 1"

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Unsere Verhandlungsstrategie war aufgegangen: Neben der Weigerung, das alte Gebäude zu verlassen, boten wir den Umzug in eine neue Immobilie an. Voraussetzung war, dass uns zuvor ein Teil der besagten Erbschaft zugegangen war. Noch vor den umfangreichen Sanierungsarbeiten zogen wir dann um: in eine kommende Baustelle. Im  Weser Kurier heißt es am 7. Juni 1985 über den geglückten Umzug unter dem Titel " 'Rat und Tat' in  neuem Domizil - Sozialsenator gab Zentrum für Homosexuelle ein Darlehen", dass wir nun dem Abriss des alten Domizils Auf den Häfen 104 mit Gelassenheit entgegensähen. Während in den letzten Wochen anrückende Planierraupen der Arbeit ein jähes Ende zu bereiten drohten, sei dieses Damoklesschwert nun beseitigt.

Rat&Tat_in_neuem_Domizil

Weser Kurier vom 7. Juni 1985

"Das Zentrum, das schon ab heute unter der neuen Adresse zu erreichen ist, will bis zum morgigen Sonnabend ganz in das neue Domizil Theodor-Körner-Str. 1 umziehen. Der Verein hat das dreistöckige Haus gekauft. "Für die Zukunft was Sicheres", freute sich Jörg Hutter, ein Sprecher des "Rat und Tat Zentrums".02

Voraussetzung für den Erwerb sei ein zinsloses Darlehn aus dem Etat des Sozialsenators gewesen, erläuterte Hutter, über dessen Höhe er sich allerdings ausschwieg. Das Darlehn mache jedoch weniger als die Hälfte der Renovierungskosten und des Kaufpreises aus. Weitere Mittel kamen von den 60 Fördermitgliedern des Vereins. Der Hauskauf bringt sogar noch Einsparungen: Die Miete für ein neues Ladenlokal, in dem auch die Klön- und Kaffeestube 'Homolulu' Platz gefunden hätte, wäre nämlich höher gewesen als die jetzige finanzielle Belastung.

Drei_Jahre_R&T

Jörg Hutter freute sich gestern vor allem, dass die Existenzprobleme nunmehr beseitigt sind. Schon seit zwei Jahren hätte die Arbeit darunter gelitten und sei seit März akut gefährdet gewesen. Die Bremische Gesellschaft für Stadterneuerung, Stadtentwicklung und Wohnungsbau hatte zunächst auf einer Räumung des Hauses Auf den Häfen 104 bestanden, obwohl noch kein Ersatz in Aussicht war."

Verweisen konnten wir bei unserem Kampf um das neue Domizil auf eine Solidaritätswelle von psychosozialen Einrichtungen und verschiedenen Organisationen sowie eine Petition an Bürgermeister Koschnick. Schließlich war uns klar, dass wir unsere Arbeit auch während der Renovierungsphase fortsetzen würden und weiterhin unter unserer alten Telefonnummer 70 41 70, aber unter neuer Adresse in der Theodor-Körner-Str. 1 zu erreichen sein würden.

Anmerkung 02: Alle in Anführungszeichen gesetzte Textpassagen stammen aus dem Weser Kurier vom 7. Juni 1985. Zurück zur Fn. 02

Die folgenden Bilder in Miniaturansicht geben erste Eindrücke von dem renovierten neuen Café Homolulu. Der Farbanschlag gleich zu Beginn hat den Start etwas getrübt.

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Die schwulenpolitische Arbeit   

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Ich kann hier natürlich nur eine Auswahl der vielfältigen Aktivitäten vorstellen. Neben der Fahrt nach Auschwitz, der Busreise nach London auf die Demonstration gegen die homophobe Klausel 28 und dem Installieren der Aids-Arbeit innerhalb des Zentrums (vgl. hierzu mein Artikel "Schwule Konfliktunfähigkeit im Zeichen von Aids") zählt wohl der Kontakt zu unseren Rostocker Freunden zu den Highlights meiner Vorstandsarbeit. Diese Aktivitäten sind auf gesonderten Seiten dargestellt.

Das siebenjährige Jubiläum

Das Deutsche Allgemeine Sonntagsblatt, eine linksliberale christliche Wochenzeitung, berichtete am 22. Dezember 1989 auf einer ganzen Sonderseite über das Bremer Rat und Tat Zentrum. Diesen Blick von außen möchte ich hier ungekürzt wiedergeben.

Schwule Spuren in Bremen
Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt, 22. Dezember 1989, 
von Ezzelino von Wedel

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Meine lieben Freunde aus dem Bremer Umland - aus Bremen sehe ich eigentlich nur Jürgen, der anwesend ist ..." Bernd Thiede muss seine helle Stimme mächtig anstrengen, um sich Gehör zu verschaffen. Obwohl er doch schon ein paar Stufen höher als wir auf der Fronttreppe des Bremer Doms steht.

Sonntagsblatt

Es ist zwei Uhr nachmittags. Bremens Domplatz platzt aus allen Nähten. An diesem Adventssamstag drängeln sich Tausende von Menschen durch die Innenstadt. Die lieben Freunde aus dem Bremer Umland frieren. Sie kommen aus Rostock, von wo sie der heftige Wind der jüngsten Ereignisse herübergeweht hat. Einer von ihnen hält einen lila Luftballon am dünnen Schnürchen. "Schwule Spuren in Bremen" ist draufgeschrieben. Die lieben Freunde aus Rostock sind nämlich schwul, und Bernd Thiede hauptamtlicher Mitarbeiter beim Bremer "Rat & Tat Zentrum für Homosexuelle e.V." ist es auch.

In den nächsten anderthalb Stunden will er dem kleinen Grüppchen von zwölf Männern etwas von Bremens Schwulengeschichte zeigen und erzählen, bevor abends die große Gala "7 Jahre Rat und Tat" gefeiert wird - zu diesem Anlass sind die Rostocker extra hergekommen.

Jörg Hutter wird von Martin Amelung freigeküsst

Auf den Domtreppen, das muss Bernd einräumen, lassen sich keine schwulen Spuren entdecken, außer - ihm fällt plötzlich die Lokalsitte des Treppenfegens ein: Jeder junge Bremer Mann bis 30, der noch nicht geheiratet hat, muss Frack und Zylinder aufsetzen, bekommt einen Besen in die Hand gedrückt und darf das Konfetti wegfegen, das seine Freunde auf die Domtreppen werfen. Erlöst wird er von dieser Fron nur, wenn eine Frau ihn freiküßt. "Und als Jörg 30 wurde", erzählt Bernd, "hat er natürlich auch die Stufen gefegt, und da kam Martin, sein Freund, und hat ihn freigeküsst." Das gut gelaunte Grüppchen setzt sich in Bewegung.

Die Begegnung mit den Rostockern gehört zu den Besonderheiten des diesjährigen Jubiläums. Seit einigen Jahren schon richtet "Rat & Tat" sich selbst ein vergnügt-albernes Geburtstagsfest aus, eine Gala, die nach ein paar Shownummern in eine "Rosa Tanznacht" mündet. Dieses Mal treten die Bremer Stadtschmusetanten mit schmalzigen Seemannsliedern auf und die Teufelsberger Showproduktion kündigt eine besondere Delikatesse an: "Weihnachtswirbel mit Maria und Josef. Eintritt an der Abendkasse: 16 Mark.

Jahresheft_6Jahre

"Ziemlich teuer", meinen die Rostocker. Bei ihnen kostet der Discoabend in der "Kombüse" nur drei Mark und zehn Pfennig. Trotzdem - sie sind auch deswegen nach Bremen gekommen, weil ihnen das "Rat & Tat Zentrum" nachahmenswert erscheint. Nicht nur ihnen. Seit seiner Gründung vor sieben Jahren hat sich das Beratungs- und Kommunikationszentrum zu einer anerkannten Bremer Institution gemausert, die mit sechs hauptamtlichen Mitarbeitern, einem Stab engagierter Ehrenamtlicher und einem Jahresetat von mittlerweile 500 000 Mark Pionierarbeit leistet.

Das Aufgabenspektrum ist so breit gefächert, dass die Organisatoren für die knapp gehaltene Beschreibung über sieben Seiten ihres Jahrbuches benötigen. Auf vier Säulen ruht das Konzept: 1. Information, 2. Kontakt und Kommunikation, 3. Konkrete Hilfen, 4. Psychosoziale Beratung.

Ein Schaubild zeigt die Vielzahl von Gruppen und organisatorischen Verflechtungen, als handle es sich bei "Rat & Tat" um einen kleinen Multi: sieben Arbeits-, sechs autonome Gruppen, vier Arten von Mitarbeitern, zwei Entscheidungsgremien. Und in der Mitte der Vorstand, der Beschlüsse umsetzt und den eingetragenen Verein mit dem Status der Gemeinnützigkeit nach außen vertritt. Als autonome Gruppen gelten: Jugendgruppe, schwule Vater und Ehemänner, die Homosexuelle Alternative Bremen, die Bi- und schließlich die Pädogruppe, eine im Anfang nicht unumstrittene Zusammenkunft von Pädophilen. Unter der Rubrik Arbeitsgruppen sind aufgelistet: ehrenamtliche Aids-Betreuergruppen, Beratung, Café, Kultur, Öffentlichkeitsarbeit, Politik, Finanzen und Buchführung.

Ein voluminöses Arbeitspensum, das um ein Beträchtliches ergänzt wird durch die Arbeit der hauptamtlich Beschäftigten: Aids-Beratung, Aids-Betreuung und die so genannte "streetwork"-Aufklärungsarbeit an Schulen und Gemeinden über Aids und Homosexualität.

Aufkleber Rat und Tat

Angesichts derartig durchgeplanter und kompetent gestalteter Arbeit des Zentrums ließ die politische Anerkennung Bremer Institutionen nicht lange auf sich warten: "Sehr geehrte Herren, hiermit möchten wir ausdrücklich begrüßen, dass Sie seit zwei Jahren mit Ihrem Lebensanliegen öffentlich vertreten sind ...", lobte bereits 1984 in einem offiziellen Schreiben die Telefonseelsorge Bremen. "... stellt das Aufklärungs- und Beratungsangebot des RAT UND TAT ZENTRUMS eine entscheidende Voraussetzung für eine möglichst wirkungsvolle Beratungstätigkeit des Hauptgesundheitsamtes zum Aids-Problem dar", ließ das Bremer Hauptgesundheitsamt vernehmen. Ähnlich applaudierend haben sich mittlerweile Pro Familia, der sozialpsychiatrische Dienst, die Offene Tür Bremen und der AStA der Hansestadt geäußert.

Mehr noch: Vor drei Jahren wunde dem Zentrum von der Bremer Deputation für Wissenschaft und Kunst ein Stellvertretersitz im Rundfunkrat zugeteilt. Seit zwei Jahren ist "Rat & Tat" Mitglied im Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. Jüngster politischer Erfolg der Homosexuelleninitiative: Im Dezember 1988 beschloss die Bremer Bürgerschaft, das "Rat & Tat Zentrum" in einen Beirat für die Mittelvergabe an vergessene Opfer des Nationalsozialismus aufzunehmen. Damit sind die Bremer die einzige Schwulenorganisation der Bundesrepublik mit einem Vertreter in einem solchen Gremium.

Schlüsselfigur und Schwungrad der politischen Arbeit des Zentrums ist Jörg Hutter (31), Diplom-Soziologe an der Bremer Universität und einer der drei Vorstandsmitglieder von "Rat & Tat"; derselbe Jörg, der an seinem 30. Geburtstag die Stufen des Bremer Doms fegte und von seinem Freund freigeküsst wurde.

Jahresheft "Zwei Jahre"

Der Mann mit den welligen Haaren und weichen Gesichtszügen sieht nicht eben wie ein dynamischer Stratege aus. Von Anfang an dabei, hat er das anfänglich heimelige "Rat & Tat Zentrum", das sich als alternative Selbsthilfe-Initiative verstand, in eine "halbstaatliche Einrichtung der sozialen Fürsorge" umgeformt, wie ein Mitglied anerkennend und zugleich kritisch formuliert.

Hutters politischem Verhandlungsgeschick ist es weitgehend zu verdanken, dass "Rat & Tat" in den Beirat der Bremer Bürgerschaft aufgenommen wurde. Er war daran mit beteiligt, dass das Zentrum 1985 ein eigenes Haus kaufen konnte, und zwar mit dem Geld, das ein kauziger Homosexueller, Edgar Claussen, 1972 der Stadt Bremen "für soziale Zwecke" vermacht hatte: eine Formel aus einer Zeit, in der Verträge unter Schwulen, also auch ein Testament, als sittenwidrig galten. Hutter und seinen Freunden gelang es, Bremens damaligen Sozialsenator Scherf davon zu überzeugen, dass Claussen mit "sozialen Zwecken" schwule Belange gemeint hatte.

Das neue Haus im Bremer Ostertorviertel, um die Jahrhundertwende entstanden, fällt durch seine großen Fensterscheiben auf, durch die man einen ungehinderten Blick in das eigentliche Kommunikationszentrum, ins "Café Homolulu", werfen kann.

Um acht Uhr abends wird geöffnet. Ehrenamtliche Mitarbeiter stehen hinter dem Tresen; ihre Aufgabe ist nicht nur, auszuschenken, sondern das Gespräch zu fördern. Aber nicht jeder, der Gespräch und Bekanntschaft sucht, traut sich. "Oft sieht man Leute draußen herumstreichen, die sich scheuen, ins Café zu kommen, weil man sie erkennen könnte", sagt Jörg Hutter. Manchmal geht er raus und spricht die Unschlüssigen an.

Das ist der typische Teufelskreis', ergänzt Joachim Driefmeier, 43, Journalist, stellvertretendes Rundfunkratsmitglied und mit Jörg Hutter im Vorstand von "Rat & Tat". "Wer nicht zu seiner Homosexualität steht, befürchtet, auch von seiner Umwelt abgelehnt zu werden. Aber je weniger er sich selber akzeptiert, umso weniger wird er von seiner Umwelt akzeptiert."

Eine alte Erfahrung, deren Gegenteil genauso gültig ist, wie Wolfgang Krüger erzählen kann, ein 43-jähriger Mann, der seit Januar vorigen Jahres an Aids erkrankt ist. Krüger hat keine Scheu vor Journalisten: "Sie wollen mich bestimmt Wolfgang K., 43, nennen. Nicht nötig. Schreiben Sie meinen vollen Namen. Ich habe nichts mehr zu verlieren", erzählt er ohne eine Spur von Selbstmitleid.

Faltblatt "Positiv?"

Wolfgang Krügers Biografie dokumentiert den mühsamen Weg homosexueller Identitätsfindung - aber auch paradoxe Glückserfahrungen und Wendungen. Als Schüler mit 14 die erste Freundschaft, dann, an der Schwelle zum Berufsleben, die Angst vor Diskriminierung. Er heiratet mit 18: "Ich wollte die Auseinandersetzung nicht. Lieber heiraten, Kinder haben, mich anpassen." Zwei Kinder kommen auf die Welt. Die Ehe wackelt bedenklich; er flüchtet in schwule Freundschaften.

Nach sieben mageren Jahren, wie er ironisch sagt, trennt er sich von seiner Frau. Coming-out: Er bekennt sich zur Homosexualität. Aber die neuen Freundschaften befriedigen nicht; keine Beziehung hält länger als ein Jahr.

1981, er ist 36, erkrankt er an Krebs. Obwohl die Ärzte ihm nur noch zwei Jahre geben, bessert sich sein Zustand. Aber 1985 tritt plötzlich eine Verschlechterung ein. "Da sagte ich mir, machen wir mal einen HIV-Test. Nur so."

Er hatte nicht damit gerechnet, dass es HIV-positiv sein könnte. Auf Grund seiner Vorgeschichte mit dem Krebs reagiert er gelassen auf das Ergebnis. Wieder kommt er ins Krankenhaus. Dort lernt er Bernd Thiede kennen, der ihn regelmäßig besucht, mit ihm über die Ansteckung und ihre Konsequenzen redet, ihn nach der Entlassung zu Hause pflegt und sich weiter um ihn kümmert, auch und erst recht dann, als die Krankheit ausbricht.

Vor einem Jahr entdeckt Wolfgang Krüger eine auffällige Kontaktanzeige. Ein an Aids Erkrankter, Mitte Vierzig, wirbt um eine Beziehung mit dem Satz: "Wenn die Angst vorübergeht, dann beginnt das Glück." Das macht ihn stutzig. Er antwortet auf die Anzeige. Es wird die erste große Liebe in Wolfgang Krügers Leben: "Das war nach drei Tagen klar. Er ist vom Tod bedroht wie ich, das hat uns nahe gebracht."

Auch Bernd Thiede, Wolfgang Krügers Betreuer, hat von der Krankheit Aids etwas gelernt: "Ich werde an mein eigenes Leben erinnert und an den eigenen Tod. Mir ist deutlich geworden, dass ich das Leben nicht verschieben kann, ich muss es jetzt leben."

Aber die Begleitung Kranker und Sterbender bringt nicht nur solche, an das Mittelalter und seine ars moriendi erinnernden Einsichten mit sich. Der Tod der Freunde und Patienten löst Trauer aus, und mancher Name ruft schmerzliche Erinnerungen wach.

Ulli Steinbacher zum Beispiel, der bei "Rat & Tat" mitgearbeitet, den Rundgang "Schwule Spuren in Bremen" erfunden hat. Sein Bild hängt im ersten Stock über dem Café. Die Lebensdaten: 1954-1987. Ein waches, intelligentes Gesicht. Die Augen blicken den Betrachter milde und gleichzeitig provokativ an. Was fragen sie? Vielleicht, ob die Freunde etwas von seinem Tod gelernt haben?

In einem Nachruf auf Ulli Steinbacher hat Jörg Hutter geschrieben: "Ulli sagte seinem Bruder kurz vor seinem Tod, dass wir, wenn er schon dran glauben müsse, etwas von seinem Tod lernen sollten. Doch was können wir angesichts dieser unheimlichen Hoffnungslosigkeit aus diesem Tod lernen? Was ist angesichts der Tatsache, dass Ulli nicht der Letzte unserer Freunde sein wird, von dem wir uns für immer verabschieden müssen, zu tun?"

Kulturprogramm

Was ist zu tun? Manchmal hilft es, abends in die Akrobatikgruppe zu gehen und nur noch den eigenen Körper zu spüren, alle Gedanken wegzuschieben und sich auf das Zusammenspiel mit den anderen Körpern zu konzentrieren. Vielleicht hilft auch die jährliche Gala, die diesmal wieder im "Modernes" stattfindet, einem Kino, das abwechselnd auch als Disco und Musiklokal benutzt wird.

An diesem Adventssamstag haben die Bremer Stadtschmusetanten, ein schwuler Männerchor, ihren großen Auftritt. Sie singen Seemannslieder mit überkippender Inbrunst, begleitet von einer Ziehharmonika. "Seemann, lass das Träumen", entströmt es zweistimmig den theatralisch maskierten Figuren, die offensichtlich ausgiebig geprobt haben und den jubelnden Applaus genussvoll entgegennehmen. "Die laden wir nach Rostock ein", schwärmen die Besucher von drüben.

Es folgt eine zweistündige Persiflage auf bundesdeutsche Quizsendungen. Ein glatter Quizmaster namens Josef tritt auf, begleitet von seiner Komoderatorin Maria - eine Anspielung auf die heilige Familie, nur um eine geschmacklose Pointe zu platzieren: "Wie geht es eurem Sohn? Hat er es immer noch mit dem Kreuz?" Auch die weiteren Dialoge verbeißen nichts Gutes: "Ich bin der Josef, und jetzt will ich Ihnen unsere Show erklären. Als Studiogäste haben wir zwei Weibchen eingeladen. Und hier haben wir eine Weihnachtsmaske. Sieht jemand hier besonders furchtbar aus, der vielleicht eine Maske braucht? Ja, ich sehe da gerade jemand, kleinen Moment, ich komme runter ..." Das Publikum hält die zwei Stunden erstaunlich geduldig aus.

"Die zweite Nummer werden wir nicht nach Rostock einladen", sagen die deutsch-deutschen Gäste. Und dann eröffnet ein Wiener Walzer die "Rosa Tanznacht".

Zusammenschau Kulturprogramme

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Die an Aids verstorbenen ehemaligen Mitstreiter

Die Krankheit Aids hat uns nicht nur vor eine gesellschaftspolitische Herausforderung gestellt. Sie betraf uns, das Mitarbeiterteam, auch ganz persönlich. Viele der 'Ehemaligen' leben heute nicht mehr. An dieser Stelle möchte ich an Sie erinnern. 

Ulli Steinbacher,
geb. 18. Januar 1954, gest. 18. April 1987, 

Ingo Schneider
,
geb. 16. August 1960, gest. 21. Januar 1990

 Manfred Wehrenberg
geb. 17. September 1957, gest. 4. Dezember 1991

Dietmar Peters,
geb. 19. Juli 1950, gest. 11. Januar 1992

Egbert Schmidt
,
geb. 3.7.1951, gest. 23.8.95

Die folgenden Bilder zeigen unsere Mitstreiter von damals. (Zum Anschauen müssen die Bilder in Miniaturansicht angeklickt werden)

Zum Vergrößern auf die Miniaturbilder klicken (Click on the miniatures to enlarge the pics)

Ulli_Steinbacher.jpg (21894 Byte)
Ulli Steinbacher

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Ingo Schneider

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Manfred Wehrenberg

Dietmar Peters

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Egbert Schmidt

 

Zum 20jährigen Geburtstag des Zentrums findet sich hier in der taz Bremen ein entsprechender Artikel.

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Von "Homolulu" zu "Kweer"

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