Karl-Heinrich Ulrichs

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Ein Straßenname für den schwulen Vorkämpfer
Karl-Heinrich Ulrichs

Die einzelnen Schritte im Straßenbenennungsverfahren

Der folgende Artikel aus der taz bremen vom 26.6.1999 beleuchtet den Hintergrund dieses Vorstoßes sehr treffend.

Start des Befreiungskampfes

Karl Heinrich Ulrichs bekannte sich schon im vorletzten Jahrhundert zu seinem Schwulsein

taz_ulrichs

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Mit der kommenden Jahrtausendwende jährt sich der Geburtstag eines Mannes zum 175. Mal, der zum Wegbereiter des homosexuellen Freiheitskampfes geworden ist. Gemeint ist der Jurist Karl Heinrich Ulrichs, der sich im vorigen Jahrhundert erstmalig selbst zu seiner Homosexualität bekannt und vom Gesetzgeber offensiv gesellschaftliche Anerkennung eingefordert hat. Ulrichs hat zudem ein gutes Stück schwuler und lesbischer Theoriegeschichte geschrieben.

Ulrichs kommt am 28. August 1825 in Aurich zur Welt. Er wächst dann auf in Burgdorf bei Hannover. Es folgen Abitur in Detmold und Studium der Rechtswissenschaft in Berlin und Göttingen. 1852 absolviert er das Amtsassessorexamen und bleibt, bis Dezember 1854, im Hannoverschen Justizdienst tätig. Um einem Disziplinarverfahren wegen seiner Homosexualität zuvorzukommen, scheidet er 'auf eigenen Wunsch' aus dem Staatsdienst aus. Nach Anstellung in Frankfurt am Main lebt er bis 1870 in Würzburg, danach in Stuttgart. 1880 emigriert er nach Italien, wo er die letzten fünfzehn Jahre seines Lebens verbringt.

Wahrscheinlich ist Ulrichs durch Lebenserfahrung und Selbsterforschung zu der Erkenntnis gelangt, dass seine eigene sexuelle Orientierung angeboren sein müsse. Diese Hauptthese entwickelt er in mehreren Schriften unter dem Titel "Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe" zu einer umfangreichen Theorie. Während er die ersten fünf Bücher zwischen 1863 und 1865 noch unter dem Pseudonym 'Numa Numantius' publiziert, veröffentlicht er bis zum zwölften Band im Jahre 1879 unter seinem richtigen Namen. Dreh- und Angelpunkt seiner Theorie ist die heute etwas seltsam anmutende These, nach der ein schwuler Mann eine weibliche Seele in einem männlichen Körper besitze. Zudem entwickelt er eine eigene Terminologie, die auf die Natur der Individuen, nicht aber auf ihr Verhalten abzielt. Ulrichs bezeichnet die schwulen Männer zunächst als 'Uranier', später als 'Urninge'. Nicht ganz so einheitliche Bezeichnungen findet er für Lesben: 'Urningin', 'Uranierin', 'Urnin'.

Beispielhaft ist Ulrichs Kampf gegen das antihomosexuelle Sonderstrafrecht. Nachdem Preußen das Königreich Hannover 1866 annektiert, spricht Ulrichs öffentlich gegen das neue Regime und seine homosexuellenfeindliche Gesetzgebung und wird zwei Mal verhaftet. 1867 entlässt man ihn aus der Haft. Aus Hannover ausgewiesen, reist er im Sommer 1867 nach München, um auf dem Deutschen Juristentag eine Resolution gegen den preußischen Antihommosexuellenparagrafen zu verlesen. Die Juristen schreien ihn nieder und hindern ihn daran. seine Rede zu beenden.

Im gleichen Jahr interveniert Ulrichs auch in Bremen. Hier ist der Theaterdirektor Friedrich Carl Feldtmann in einem Aufsehen erregenden Prozess angeklagt. Die Polizei hat über sein Verhältnis mit jungen Männern durch einen Erpressungsversuch und Denunziation erfahren. Ulrichs lässt vor Prozessbeginn eine seiner Streit- und Aufklärungsschriften in Bremen verteilen. Im Dezember 1867 wird Feldtmann zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Die übliche Zuchthausstrafe bleibt ihm erspart. Ulrichs erblickt in dem Urteil ein 'Leuchtturmslicht', da selbst der Staatsanwalt bedauert, eine Verurteilung Feldtmanns fordern zu müssen.

Die Entwicklung nahm leider einen anderen Lauf. Entgegen aller Hoffnung wird das strenge preußische Gesetz auf alle Teile Deutschlands ausgedehnt. Bereits 1868 beginnen unter preußischer Federführung die Beratungen zu einem Strafgesetz für den Norddeutschen Bund. Ulrichs richtet ab Herbst 1868 zahlreiche Petitionen an die zuständigen Politiker. Seine Eingaben stoßen auf taube Ohren.

Der unrühmliche Vorstoß Bremens in der Bundesratskommission führt dann sogar zu einer Strafverschärfung. 1869 stellt dort der Senator Ferdinand Donandt den Antrag, den Tatbestand auf alle Formen des mannmännlichen Geschlechtsverkehrs auszudehnen und auch die lesbische Sexualität zu bestrafen. Zudem solle die Strafe deutlich erhöht werden: generell Zuchthaus bis zu fünf Jahren. Man einigt sich schließlich auf eine Erhöhung des Strafrahmens: statt bis zu zwei Jahren drohen nun bis zu fünf Jahre Gefängnis. Diese Formulierung findet Eingang in das Deutsche Strafrecht von 1871, und zwar symbolträchtig unter der Hausnummer 175. Vor dem Hintergrund der damaligen Gesetzesverschärfung klingen die Petitionen von Ulrichs immer verzweifelter. Am 4. Mai 1870 wendet er sich ein letztes Mal an den Preußischen Justizminister: "Betrachten Eure Exzellenz mich als Wortführer von Tausenden von Mitmenschen, die ohne genügenden Rechtsgrund zu Verbrechern gestempelt und gemartert werden. Im Namen der Gerechtigkeit und im Namen der Menschlichkeit bitte ich um Gehör!"

Die Stadt München hat den Einsatz dieses Mannes bereits gewürdigt, indem sie einen Platz nach Karl Heinrich Ulrichs benannt hat. Die Bremer PolitikerInnen sind zu fragen, warum in Bremen zwar eine Donandtstraße an den entsprechenden Senator; hingegen noch kein Ort an den Juristen Karl Heinrich Ulrichs erinnert.

Jörg Hutter

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Die Bremer Vorschlagliste für Straßenbenennungen

Straßenbenennungsverfahren

Auf meinen Antrag hin ist der Name Karl Heinrich Ulrichs erst einmal in die offizielle Bremer Vorschlagsliste für Straßenbenennungen aufgenommen worden. In dem Antwortschreiben hießt es unter Berufung um das um Stellungnahme gebetene Bremer Staatsarchiv u.a.: "Mit dem Juristen Karl Heinrich Ulrichs besitzt die homosexuelle Bürgerrechtsbewegung eine in der Tat profilierte Persönlichkeit, die im Straßenbenennungsverfahren grundsätzlich Berücksichtigung finden sollte". Das Staatsarchiv hält die Benennung eines Platzes im Bereich von Altstadt, Neustadt oder in den Vorstädten für am geeignetsten."

Der 175. Geburtstag von Karl-Heinrich Ulrichs     Zurück zum Beginn


Jörg Hutter auf der Feier zum 175. Geburtstag von Karl Heinrich Ulrichs am 26. August 2000 auf dem Karl-Heinrich Ulrichs Platz in München.

Bremer Beirat Mitte votiert einstimmig für Ulrichsplatz

Die Fraktionen von SPD, CDU, Bündnis 90/DIE GRÜNEN und PDS des Beirates Mitte stellen auf Ihrer Sitzung am 25. Juni 2001 einvernehmlich den Antrag an den Senat der Freien Hansestadt Bremen, im Stadtteil Ostertor den bisher namenlosen Platz, der sich durch den Rückbau des Ostertorsteinweges im Mündungsbereich von Wulwestraße und Hohenpfad herausgebildet hat, Ulrichsplatz zu nennen.

Die neue Straßenbenennung lässt die existenten Hausnummern von Ostertorsteinweg, Hohenpfad, Landweg und Wulwestraße unangetastet. Benannt wird lediglich der auf dem beiliegenden Kartenausschnitt gekennzeichnete Platz. Durch eine Beschilderung soll der Namen mit folgendem Text amtlich erläutert werden: „Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895), Vorkämpfer für die rechtliche Gleichstellung der Schwulen und Lesben.“

Begründung:

Das Amt für Straßen und Verkehr hat den Namen Karl Heinrich Ulrichs (* 28.08.1825 auf dem Gut Westerfeld bei Aurich, † 14.07.1895 im italienischen Aquila) bereits in die offizielle Vorschlagsliste für Straßenbenennungen der Freien Hansestadt Bremen aufgenommen. In einer gutachterlichen Stellungnahme hat sich das Staatsarchiv zu dem Vorschlag wie folgt geäußert:

“Mit dem Juristen Karl Heinrich Ulrichs besitzt die homosexuelle Bürgerrechtsbewegung eine in der Tat profilierte Persönlichkeit, die im Straßenbenennungsverfahren grundsätzlich Berücksichtigung finden sollte.“

Neben seiner sexualwissenschaftlichen „Forschungen über das Räthsel der mannmännlichen Liebe“ engagierte sich Ulrichs insbesondere für die homosexuellen Opfer von Erpressern und Justiz. Im Jahr 1867 intervenierte er in Bremen für den angeklagten Bremer Theaterdirektor Friedrich Carl Feldtmann, der im Dezember 1867 aufgrund dieses Einsatzes ‚nur’ zu einer einjährigen Gefängnisstrafe verurteilt wird. Diesem Umstand trägt die räumliche Nähe des Platzes zum heutigen Theater am Goetheplatz Rechnung.

Zu würdigen sind ferner Ulrichs zahlreiche Eingaben an die Strafrechtskommissionen des Norddeutschen Bundes, in denen er als Betroffener und damit ohne Rücksicht auf seine soziale Stellung Straffreiheit für die, wie er sie nannte, „urnische Geschlechtsliebe“ einforderte. Einer seiner Gegenspieler war seinerzeit der Bremer Senator Dr. Ferdinand Donandt (1803-1872), der den Straftatbestand ausgedehnt und auch die lesbische Sexualität bestraft wissen wollte. Donandt konnte in der zuständigen Bundeskommission immerhin die Erhöhung des Strafrahmens durchsetzen (bis zu fünf Jahren Gefängnis), eine Formulierung, die dann Eingang in das Deutsche Strafrecht von 1871 fand.

Bibliographische Nachweise

Kennedy, Hubert: Karl Heinrich Ulrichs, in: Homosexualität - Handbuch der Theorie- und Forschungsgeschichte, (Hg.) Lautmann, Rüdiger, Campus Verlag, Frankfurt/New York 1993, S. 32-38.

Hergemöller, Bernd-Ulrich: Mann für Mann, Biographisches Lexikon zur Geschichte von Freundesliebe und mannmännlicher Sexualität im deutschen Sprachraum, MännerschwarmSkript Verlag, Hamburg 1998, S. 699-701.

Hutter, Jörg: Start des Befreiungskampfes - Karl Heinrich Ulrichs bekannte sich schon im vorletzten Jahrhundert zu seinem Schwulsein, taz bremen vom 26.6.1999, S. 32.

Hutter, Jörg: Von der Sodomie zu Queer-Identitäten - Ein Beitrag zur Geschichte der homosexuellen Identitätsentwicklung, in: Die Geschichte der Homosexualitäten und die schwule Identität an der Jahrtausendwende - Eine Vortragsreihe aus Anlaß des 175. Geburtstags von Karl Heinrich Ulrichs, (Hg.) Setz, Wolfram, Verlag rosa Winkel, Berlin 2000, S. 141-175, speziell zu Karl Heinrich Ulrichs und Dr. Ferdinand Donandt S. 154-160.

Steinbacher, Ulli: Schwule Spuren, in: Bremer Blatt, 9. Jahrgang, April 1984, S. 29-30.

Ulrichs_Platz
Im Bremer Stadtteil Ostertor soll nach dem einstimmigen Votum des Beirates Mitte vom 25. Juni 2001 der bisher namenlose Platz, der sich durch Rückbau des Ostertorsteinwegs im Mündungsbereich von Wulwestraße und Hohenpfad 
herausgebildet hat, Ulrichsplatz heißen.

Breites Presseecho      Zurück zum Beginn

Über den Beschluss des Beirates Mitte berichtete die Bremer Presse ziemlich ausführlich. Wer war denn nun eigentlich Karl Heinrich Ulrichs, fragen sich die verwunderten Bremerinnen und  Bremer. Über den gut gemeinten Vorschlag des Weser Kuriers, den Platz während des jährlichen Viertel-Festes in würdigem Rahmen zu taufen, freuen wir uns natürlich. Doch eigentlich sind wir der Meinung, dass es schon ein eigenes schwul-lesbisches Viertelfest sein müsste, welches diesen ehrenvollen Rahmen zu geben in der Lage wäre. Warum also kein jährliches schwul-lesbisches Viertelfest in Bremen, wenn die CSD-Paraden (CSD = Christopher-Street-Day, dem Ereignis im New York von 1969, wo sich Schwule und Lesben 1969 erstmals gewaltsam gegen polizeiliche Übergriffe zu Wehr setzten) alljährlich in Oldenburg stattfinden? Karl Heinrich Ulrichs hatte immerhin am 28. August Geburtstag. Demnach könnte die Bremische Variante des CSD erstmalig im Sommer des Jahres 2002 steigen. Dieses Datum deckt sich zwar nicht mit dem 175. Geburtstag von Karl Heinrich Ulrichs (die antischwule Sondergesetzgebung im Bürgerlichen Strafgesetzbuch firmierte unter dem § 175 RStGB = Reichstrafgesetzbuch). Doch immerhin beginnen wir an seinem 177. Ehrentag zu feiern, und das ist ja auch schon etwas!

Weser_Kurier_zum_Ulrichs_Platz

Weser Kurier vom 27.06.2001

taz_bremen_zum_Ulrichs_Platz

taz bremen vom 27.06.2001


Tibor Runge und Jörg Hutter von der schwulen AG der Grünen vor dem zukünftigen Ulrichsplatz. Foto aus hinnerk, Das schwule Magazin im Norden, Hamburg 8/01.

Antrag auf Straßenbenennung liegt der Baudeputation vor    Zurück zum Beginn

Anträge auf Straßenbenennungen nimmt in Bremen die Baudeputation, ein Gremium, das einem parlamentarischen Ausschuss ähnelt, zur Kenntnis und leitet sie an den Senat, die Bremer Regierung, weiter. Der Senat wiederum reicht die Vorlage an das Parlament, die Bremische Bürgerschaft, zur entgültigen Beschlussfassung weiter. In der Regel werden die Anträge, haben sie einmal die Verwaltung - hier das Amt für Straßen und Verkehr - passiert, auch in der vorbereiteten Form beschlossen. Ob dies mit dem Ulrichsplatz auch so klappt, bleibt demnach zu hoffen.

Der Baudeputation liegt derzeit eine auf den 30. Oktober 2001 datierte Beschlussvorlage auf Straßenbenennungen vor. Dort heißt es:

"Sachdarstellung

Für die in der anliegenden Senatsvorlage näher bezeichneten öffentlichen Verkehrsflächen müssen gemäß § 37 des Bremischen Landesstraßengesetzes Entscheidungen zur Benennung getroffen werden.

Beschlussvorschlag

Die Deputation für Bau nimmt die Vorschläge zur Kenntnis und ist mit der Weiterleitung an den Senat einverstanden.

Anlage

A Problem
Für die im folgenden näher bezeichneten öffentlichen Verkehrsflächen müssen gemäß § 37 des Bremischen Landesstraßengesetzes Entscheidungen zur Benennung getroffen werden.

(...)

Bezirk Bremen-Mitte

Ortsamt Mitte / Östliche Vorstadt

Ortsteil Ostertor
Sogenannte Ostertorplatz

zwischen fahrbahnbegleitenden Gehweg und 
Gehweg vor der anliegenden Wohnbebauung
Ostertorsteinweg Haus Nr. 30-21
Ulrichsplatz Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895).  Jurist. Ulrichs gilt als der profilierteste Vorkämpfer der homosexuellen Bürgerrechtsbewegung.
Wulwestraße (Teil)
Einmündungsbereich zwischen Landweg und Ostertorsteinweg umbenennen
Ulrichsplatz Die Umbenennung und Einbeziehung in die Platzbenennung entspricht der Örtlichkeit. Anlieger sind nicht betroffen.

Vorlage Baudeputation
Auszug aus der Deputationsvorlage vom 15.10.2001

B Lösung
Beschlussfassung über die vorliegenden Vorschläge.

Auch unter Berücksichtigung des Senatsbeschlusses vom 9.11.1995, nach der eine Umbenennung nur in besonderen Fällen erfolgen darf, ist im Hinblick auf die unter A angeführten Gründe zur Teilumbenennung der Wulwestraße, eine solche sachgerecht.

C Alternativen
Werden nicht vorgeschlagen.

D Finanzielle Auswirkungen
Die für die Beschaffung und Anbringung der Straßennamensschilder erforderlichen Haushaltsmittel stehen dem Amt für Straßen und Verkehr bzw. dem Bauamt Bremen-Nord zur Verfügung sofern die Kosten nicht von den Erschließungsträgern übernommen werden müssen.

(...)"                                                  Zurück zum Beginn

Baudeputation leitet den Antrag auf Straßenbenennung vorerst nicht an den Senat weiter

Auf Intervention des SPD-Abgeordneten Michael Engelmann hat die Deputation für Bau auf ihrer Sitzung am 15. November 2001 den Antrag auf Umbenennung des bislang namenlosen Platzes im Ostertor in Ulrichsplatz nicht an den Senat weitergeleitet. Das Ortsamt Mitte / Östliche Vorstadt wird statt dessen um Erklärung gebeten, warum der Platz nicht statt "Ulrichsplatz" "Karl-Heinrich Ulrichsplatz" heißen könne. Ich habe daraufhin dem Ortsamt die folgende Stellungnahme zukommen lassen:

An das
Ortsamt Mitte/Östliche Vorstadt
z. Hd. Frau Freudenberg
Am Dobben 91

28203 Bremen

 

16. November 2001

Straßenbenennungsverfahren Ulrichsplatz

Sehr geehrte Frau Freudenberg,

da ich erfahren habe, dass die Baudeputation auf ihrer Sitzung am 15.11.01 den Antrag des Beirates Mitte auf Benennung des bisher namenlosen Platzes im Ostertor in ‚Ulrichsplatz’ an das Ortsamt zur Stellungnahme zurückverwiesen hat, gebe ich hierzu die folgende Erklärung ab:

„Ich halte den Wunsch des Abgeordneten Engelmann, den Platz statt ‚Ulrichsplatz’ ‚Karl-Heinrich Ulrichsplatz’ zu nennen, für nicht sachgerecht. Der Vorschlag des Beirates Mitte scheint mir hingegen wohlbegründet, da sich der kürzere Name in der Bevölkerung leichter einprägt und eine derart griffige Namensnennung auch die Chancen erhöht, dass die Bremer Straßenbahn AG die dortige Straßenbahnhaltestelle umbenennt. Vergleichbare Platzbezeichnungen beschränken sich aus ähnlichem Grund nur auf die Nennung des Nachnamens. Entsprechend dieser Einsicht heißt der in unmittelbarer Nähe liegende Straßenraum auch ‚Goetheplatz’ anstatt ‚Johann-Wolfgang Goetheplatz’.

Eine Hinzufügung des Vornamens hielte ich nur dann für angezeigt, wenn ein Risiko zur Verwechslung bestünde. Mir ist jedoch nicht bekannt, dass ein weiterer Herr oder eine andere Frau Ulrichs existiert hätten, mit denen Karl-Heinrich Ulrichs verwechselt werden könnte. Zudem soll ja sichergestellt sein, dass auf entsprechenden Straßenschildern die Erklärung hinzugefügt wird: ‚Karl Heinrich Ulrichs (1825-1895), Vorkämpfer für die rechtliche Gleichstellung der Schwulen und Lesben.’“

Ich bitte Sie daher, die Deputation entsprechend zu informieren. Selbstverständlich bin ich auch bereit, den Abgeordneten und Deputierten die Sachlage persönlich zu erläutern. Zwecks Rückfragen und entsprechenden Terminvereinbarungen können sich mich am besten unter meiner mobilen Telefonnummer erreichen. Sie lautet: 0175-2343182.

Mit freundlichen Grüßen

 

Dr. Jörg Hutter

Ringen um den richtigen Straßennamen                 Zurück zum Inhalt

Vielen wird der Streit um das richtige Namensschild wie eine provinzielle Posse vorkommen. Doch die Zurückverweisung des Antrages durch die Baudeputation birgt unabwägbare Risiken. Die Auseinandersetzung könnte von Gegnern des Projektes dazu instrumentalisiert werden, das gesamte Vorhaben zu Fall zu bringen. Aus diesem Grund habe ich mit dem obigen Brief an das Ortsamt reagiert. Mein Ziel war es, möglichst schnell zu einer informellen Einigung beizutragen, ohne das der Beirat Mitte erneut über den gesamten Sachverhalt beraten und beschließen musste. Dass der Weser Kurier Kenntnis von meinem Brief erlangte, lag wahrlich nicht in meinem Interesse. In dem überschaubaren Bremen ließ die Weitergabe der Information wohl nicht verhindern, so dass die Zeitung unter dem Titel "Reicht für einen Vorkämpfer allein der Nachname?" den Konflikt veröffentlichte.

Weser Kurier zum Namensstreit Ulrichsplatz
Bremer Weser Kurier vom 22.11.2001

In dem Artikel heißt es unter anderem: "Wie es sich gehört, war die geplante Namensgebung jüngst ganz harmlos der Deputation vorgestellt worden. Das hätte völlig lautlos ablaufen können, wäre da nicht der SPD-Bürgerschaftsabgeordnete Michael Engelmann. Er preschte dem Vernehmen nach vor. Sein Drängen: Einfach nur Ulrichs, das sei nicht ausreichend, auf das Schild gehöre der volle Namen des verdienten Homosexuellen.

Das rief nun Jörg Hutter auf den Plan. (...) Hutter will Ullrichs, ohne Karl und auch ohne Heinrich. In einem aktuellen Brief an das Ortsamt Mitte hat er nun dargelegt, warum. Ein kürzerer Name präge sich in der Bevölkerung besser ein, eine möglichst 'griffige Namensnennung' erhöhe zudem die Chance, dass dort gleich auch die Straßenbahnhaltestelle' nach Ulrichs umbenannt werde. Dazu noch Hutters Hinweis: 'Der in unmittelbarer Nähe liegende Straßenraum heißt auch Goethe Platz anstatt Johann-Wolfgang-Goethe-Platz'".

Natürlich kann man sich jetzt fragen, ob die Bremerinnen und Bremer Bürger keine anderen Sorgen haben. Die telefonische Nachricht von Frau Freudenberg, Vertreterin des Ortsamtsleiters, bestätigt jedoch, das mein Vorgehen richtig war. Mit Erleichterung teilte sie mir mit, dass man sich heute, am 22. November 2001, informell in der Baudeputation geeinigt habe, die Vorlage an den Senat (Regierung Bremens) kommentarlos weiterzuleiten. Herr Engelmann habe seinen Widerstand aufgegeben. Somit brauche der Beirat Mitte nicht mehr erneut mit der Angelegenheit befasst zu werden.

Wer habe denn meinen Brief an die Presse weitergeleitet, wollte ich abschließend wissen. 'Ich dachte, Sie wären das gewesen', konterte Frau Freudenberg. Tja, da wird wohl nur der Redakteur, Herr Gerling, seine Informationsquelle preisgeben können. Doch auf derlei Indiskretionen ist er ja angewiesen ...

Einweihung des Ulrichsplatzes mit einem Straßenfest         Zurück zum Inhalt 

Nach mehreren Sondierungsgesprächen einigten sich schwul-lesbische Gruppen aus Bremen am 18.12.2001 auf ein einheitliches Konzept zur Einweihung des Platzes. Die gemeinsam verfasste Erklärung hat den folgenden Wortlaut:

Konzept zu einem schwul-lesbischen Straßenfest anlässlich der Einweihung des Bremer Ulrichsplatzes

Im Jahr 2002 wird das Straßenbenennungsverfahren zum Ulrichsplatz in Bremen abgeschlossen sein. Die unten unterzeichnenden Gruppen erklären sich bereit, anlässlich der Einweihungsfeierlichkeiten ein schwul-lesbisches Straßenfest auszurichten.

Unter dem Vorbehalt der Zustimmung durch den Bremer Senat und die Bremische Bürgerschaft schlagen die schwulen und lesbischen Organisationen vor, die Einweihung des Platzes im Sommer vorzunehmen. Als Termin böte sich ein Datum in zeitlicher Nähe zum Geburtstag von Karl-Heinrich Ulrichs an. Da dieser am 28. August 1825 geboren wurde, käme als besonders geeigneter Termin für die feierliche Einweihung der Samstag, der 31. August 2002 in Frage.

Der Termin liegt einerseits weit genug entfernt von den alljährlich im Frühsommer stattfindenden Demonstrationen zum Christopher Street Day (CSD), an dem Schwule und Lesben der 1969 durch einen brutalen Polizeieinsatz provozierten Krawalle um das New Yorker Lokal Stonewall Inn in der Christopher Street gedenken. Zum anderen ist dieser Zeitpunkt noch weit genug entfernt von den Feierlichkeiten im Herbst, etwa dem lesbisch-schwulen Spektakel „Queer it“ im Kulturzentrum Schlachthof (Oktober) oder dem Bremer Freimarkt. Zu prüfen wäre allerdings, ob hier Kollisionen mit dem für 2002 erneut vorgesehenen Viertelfest drohen.

Das geplante Straßenfest versteht sich als eine schwul-lesbische Kulturveranstaltung, auf der die Vielfalt der schwul-lesbischen Kulturszene in Bremen zum Ausdruck kommen soll. Obwohl es sich bei der Straßenbenennung um den Verweis auf einen männlichen Vorkämpfer für gesellschaftliche Anerkennung handelt, sollen auf dem Straßenfest lesbische Belange in gleichem Umfang und mit gleichem Gewicht zur Sprache kommen. Die Einweihung des Platzes dient hier im Wesentlichen als Aufhänger für ein buntes Kulturspektakel, durch das wir Bremen auch überregional als einen für die schwul-lesbische Szene besuchenswerten Veranstaltungsort bekannt machen möchten. Die bisherigen Rückmeldungen aus der Bundesrepublik und den USA bewerten wir hierbei als durchaus ermutigendes Signal. Es ist damit zu rechnen, dass eine größere Anzahl von Menschen nach Bremen reisen wird, um an der feierlichen Platzeinweihung teilnehmen zu können.

Als Vorbild der Veranstaltung dienen uns erfolgreiche schwul-lesbische Straßenfeste in Berlin (Motzstraße), Hannover (Tummelplatz der Lüste), Hamburg (Lange Reihe) und München. Dabei haben wir den Anspruch, kommerzielle Interessen mit politisch-kulturellen Ansprüchen in Einklang zu bringen. Mit den eingenommenen Mitteln soll ein Teil des Aufwandes gedeckt werden. Des Weiteren sollen private Sponsoren gewonnen und öffentliche Mittel für die Organisation des Straßenfestes eingeworben werden. Wir verstehen das geplante Straßenfest als Chance, die Bremische schwul-lesbische Szene zusammen zu führen und zu stärken. Voraussetzung hierzu ist, dass alle Beteiligten die Chance erhalten, sich auf dem Fest entsprechend darzustellen. Dies kann nur gelingen, wenn jede Idee zur Veranstaltung mit dem gleichen Respekt und der gleichen Achtung zur Kenntnis genommen und nach Möglichkeit mit in die Planung aufgenommen wird. Um alle relevanten Gruppen und Einzelpersonen in Bremen zu erreichen, sollen in den nächsten Wochen persönliche Gespräche mit den in Frage kommenden Personen geführt werden. Ziel ist es, auch die Wirte schwul-lesbischer Lokale in die Vorbereitung der Feierlichkeiten einzubeziehen. Zudem gilt es natürlich, dass die Anlieger des Platzes an der Planung beteiligt werden. Auch hier wird es nötig sein, die unterschiedlichen Interessenlagen in Einzelgesprächen auszutarieren.

Die bislang gebildete Vorbereitungsgruppe prüft derzeit, welcher juristische Rahmen nötig sein wird, um als offizieller Veranstalter agieren zu können. Dem Veranstalterkreis können sich in Zukunft weitere Personen und Organisationen anschließen. Bei Bedarf kann sich der Arbeitskreis in Zukunft in verschiedene Untergruppen mit speziellerem Arbeitsauftrag ausdifferenzieren.

Bislang ist der Verlauf der Veranstaltung wie folgt angedacht: Neben verschiedenen Ständen soll auf dem Platz eine Bühne aufgebaut werden. Dort findet ab Mittag ein buntes Kulturprogramm statt. Neben Polit-Talkshows präsentieren sich diverse Künstler und Künstlerinnen mit einem nach Möglichkeit interaktiven Erlebnisprogramm. Höhepunkt wird dann die offizielle Einweihung sein. Danach startet eine Tanzveranstaltung mit fetziger Musik bis spät in die Nacht. Nach dem Ende der Fete öffnen die diversen (schwul-lesbischen) Kneipen ihre Tore für die BesucherInnen.

Mit der BSAG wird zu klären sein, zu welchen Bedingungen eine Umleitung der Bahnen in Frage kommt und ob die Haltestelle Wulwesstraße zeitgleich zur Platzeinweihung umbenannt werden kann. Mit Herrn Drechsler von der BSAG ist Anfang 2002 Kontakt aufzunehmen.

Eventuell kann bereits am Abend zuvor im Schlachthof oder Modernes eine Party steigen, um auf das Straßenfest einzustimmen. Am Sonntag könnten im Rat und Tat Zentrum und anderen Lokalen diverse Goodbye-and-see-you-Brunches angeboten werden.

UP_Einweihung

Bremer Straßenbahn AG sichert Umbenennung der Haltestelle Wulwesstraße in Ulrichsplatz zu

Die Bremer Straßenbahn AG (BSAG) hat mit Schreiben vom 19. März 2002 auf mein Schreiben vom 6. März des Jahres durchaus positiv reagiert (auch wenn mein Name falsch geschrieben wird) und die Umbenennung der entsprechenden Haltestelle zu einem späteren Zeitpunkt zugesichert. Das Antwortschreiben ist im folgenden abgebildet:

Bremer Straßenbahn AG

Bremer Straßenbahn-AG nennt Haltestelle am 31. August 2002 um

Einigen Wirbel verursachte ein weiteres Schreiben der Bremer Straßenbahn AG nach der ersten Freude über die beabsichtigte Umbenennung der Haltestellenschilder. Da es in dem Schreiben des Vorstandsvorsitzenden Georg Drechsler statt "Ulrichsplatz" "Ulrichplatz" heißt, war zu befürchten, dass die Schilder falsch betitelt werden. Nach einem Telefonat und einem erneuten Anschreiben ist dieser Missgriff verhindert worden. Die Haltestellenschilder werden demnach zuerst als Wulwesstraße/Ulrichsplatz auszeichnet und dann, nachdem der neue Name im Stadtplan entsprechend eingeführt ist, komplett umbenannt. Das gleiche Prinzip wird bei der Ansage in den Bahnen angewandt.

[Zum Schreiben von der BSAG]

Straßenschild aufgestellt und Haltestellenschild umbenannt

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Themenverwandte Links

[Die iranischen Opfer des religiösen Faschismus von heute]

[The Persian Victims of the Religious Fascism of Today]

Gay Teens hanged in Iran 2005

Externer Link zum Thema

Die wohl umfassendste Zusammenschau aller Aktivitäten zu Karl Heinrich Ulrichs im Netz inkl. der Bremer Straßenbenennung (Even in an English version):

MEMORY BOOK 2000

A Festschrift Commemorating the
 175th Jubilee Birthday Anniversary of

Ulrichs Portrait

Karl Heinrich Ulrichs
(August 28, 1825 - July 14, 1895)
First Known Gay Activist

Written and Compiled by
Paul J. Nash
Michael Lombardi-Nash

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