Die Misshandlungen von Tim Koehne durch die Bremer Polizei
Copyright © Cristoph Dowe und taz bremen. Alle Rechte vorbehalten. Der hier veröffentlichte Artikel ist urheberrechtlich geschützt und darf nur zu privaten Zwecken heruntergeladen oder ausgedruckt werden. Für andere Absichten - insbesondere das Einstellen auf Webseiten - ist das Einverständnis des Verfassers und betreffenden Publikationsorganes einzuholen. Polizeiübergriffe in BremenAm 28. Januar 2000 veröffentlichte die taz bremen einen Bericht über Misshandlungen von Tim Koehne durch die Bremer Polizei. Ich gebe den Artikel hier in Auszügen wieder: Fragen Sie nie
nach der Dienstnummer! Die Millenniums-Nacht auf der Domsheide wird Tim Koehne sein Leben lang nicht vergessen. Als er mit einer großen Gruppe Jugendlicher kurz vor Mitternacht in der Innenstadt anlangte, sah er noch normal aus - einen Joint hatte er geraucht, fünf Bier und zwei Bacardi/Cola getrunken. Sechs Stunden später, die er in der Polizeiwache Sandstraße und Wache 6 (Polizeihaus) verbrachte, war er von Schlägen gezeichnet (siehe Fotos). Drei Tage verbrachte er daraufhin im Krankenhaus. Ärzte attestierten ihm später Würgemale am Hals, ein geplatzten Trommelfell, Einblutungen in den Augenhöhlen, einen Haarriss am rechten Wangenknochen und eine Schädelbasisfraktur. Was war geschehen? Mit einem Jungen aus der Gruppe war der schmächtige Abiturient (1,69 groß, 54 Kilo schwer) in Streit geraten, den Freunde zu schlichten versuchten. Plötzlich wurde er von hinten gegriffen, berichtet er. Dann habe er einen Aufprall gespürt und wurde halb bewusstlos von Polizisten weggetragen und zur Wache Sandstraße gebracht. Dort begann die Tortur. Als er darum bat, die festanliegenden Handschellen zu lockern, sagte ein Polizist: "Halt's Maul" und schlug ihm heftig in die Hüftgegend, erinnert sich der 21-Jährige. Als er nach der Dienstnummer verlangte, schlug der Beamte ihm ins Gesicht. Tim bekam Panik und versuchte sich "zu schützen, indem ich wild um mich schlug". Zwei Polizisten hielten ihn daraufhin fest und schlugen ihm mit Fäusten ins Gesicht, bis er bewusstlos wurde. Als er wieder zu sich kam, spürte er unter anderem einen pochenden Schmerz am Hinterkopf. Erneut verlangte Tim die Dienstnummern. Auf eine Krawatte eines Beamten anspielend fragte Tim: "Bist du Mickey Mouse?" Mehrere Faustschläge" aus allen Richtungen" trafen Tim im Gesicht. Nach weiteren Schlägen und mit großen Erinnerungslücken fand er sich in einer Zelle wieder. Er sah einen Arzt und mehrere Beamte und bekam erneut eine Panikattacke. Er wurde auf dem Boden fixiert. "Plötzlich befand sich ein sehr stabiler Strick um meinen Hals, der mir die Luftzufuhr aufs massivste abschnürte". Er spürte, dass die Wunde an seinem Hinterkopf behandelt wurde, bevor er erneut das Bewusstsein verlor. Gegen Morgen - am 1.1. hat Tim Geburtstag - erwachte er und wurde freigelassen. Freunde von Tim bestätigen seine Darstellungen. Durch das Fenster der Wache beobachtete ein Freund, wie Tim von zwei Beamten "mehrfach so gestoßen und geschüttelt wurde, dass er mit dem Hinterkopf gegen die Wand schlug". Bei Tims Verlegung von der Sandstraße in die Wache 6 hätte man ihn getragen, der Kopf habe auf dem Boden aufgeschlagen, berichten mehrere Freunde. Die Polizei wollte gegenüber der taz keine Angaben machen ...". Christoph Dowe Leserbrief an die taz bremen (31.01.2000)
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"Liebe taz..." Schockierender Bericht Betr.: "Fragen Sie nie nach der Dienstnummer", taz vom 28.1.00 Euer Bericht über die Misshandlungen von Tim Koehne hat mich sehr schockiert. Ich halte die Aussagen des Jugendlichen für äußerst glaubhaft, denn als ehemals Verhafteter anlässlich der so genannten "Chaostage" 1996 habe ich das Verhalten von Polizisten hautnah erlebt. Deshalb ist es für mich leicht nachvollziehbar, dass sich Jugendliche, wenn sie durch die Polizei in Todesangst versetzt werden, eben nicht besonnen und ruhig verhalten. Für diese Panikreaktionen sind jedoch eindeutig die beteiligten Beamten verantwortlich. Wenn die große Koalition derzeit auch noch beabsichtigt, der Polizei weitgehende Rechte bei Verhaftungen und Ingewahrsamnahmen einzuräumen, dann sehe ich die Menschenrechte ernsthaft bedroht. Ich bezweifle, dass es nur einen Passus im neuen Gesetzeswerk geben wird, der den Schutz vor polizeilicher Willkür erhöht. Es wäre etwa der §16 des bremischen Polizeigesetzes so zu präzisieren, dass die Formulierung, "unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der Freiheitsentziehung herbeizuführen" bedeutet, dass die richterliche Vorführung innerhalb einer Stunde geschehen muss. Auch Bestimmungen über das Fesseln Verhafteter, die Belehrung über Rechtsbehelfe oder Kontaktaufnahme mit Familie und Anwälten sind zum Schutz Verhafteter konkreter zu fassen. Für Tim bleibt nur zu hoffen, dass er die psychischen Folgen dieser Tortur halbwegs unbeschadet übersteht. Die Innenrevision der Polizei: Tim Koehnes Schilderung glaubwürdigDie taz bremen berichtet am 26.5.2000 über das Ergebnis der polizeiinternen Ermittlungen gegen Polizeibeamte. Die Aussagen von Tim Koehne werden größtenteils bestätigt.
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Verfassers und betreffenden Publikationsorganes einzuholen. "Willkürliche
Gewalt" Die Innenrevision der Polizei legt der Staatsanwaltschaft nahe, gegen mindestens vier Polizisten Anklage zu erheben. In der Silvesternacht soll der 21-jährige Schüler Tim Koehne von mehreren Polizisten übel zugerichtet worden sein. Die Innenrevision hat nun ihre Ermittlung abgeschlossen und einen 36 Seiten starken Bericht erstellt: Danach ist Tims damalige Schilderung der Ereignisse glaubwürdig. Nachdem taz und BILD Ende Januar von dem Fall berichtet hatten, sprach der Polizeipräsident von "tendenziöser Berichterstattung", die Gewerkschaft der Polizei (GdP) von "Schmierenjournalismus". Die GdP legte in einem offenen Brief den Schluss nahe, Tim habe für seine Aussagen Geld von der BILD-Zeitung bekommen. Die CDU warnte davor, die Polizei während eines laufenden Verfahrens "vorzuverurteilen". ... "Es ist gesichert davon auszugehen, dass Tim K. nahezu unverletzt vom Domshof abgeführt und an der Wache Sandstraße mit Blut im Nasenbereich vorgeführt wurde", heißt es jetzt in dem Bericht. "Ohne Not" habe der Polizeibeamte E. ihm auf der Wache einen Faustschlag gegen den Hüftbereich versetzt, der ein "kinderfaustgroßes Hämatom" verursachte. Tim berichtete von weiteren Faustschlägen ins Gesicht und davon, dass er das Bewusstsein verloren habe. Später wurde Tim in die Polizeiwache im Polizeihaus verlegt, ein Arzt wurde zugezogen. Auf Grund von Zeugenaussagen ist für die Polizei-Innenrevision jetzt klar: "Die Tatsache, dass Beamte gegenüber Herrn Dr. R. vor der ersten Blutentnahme darstellten, Tim K. habe die Verletzungen schon gehabt, als er vom Dom weggeholt wurde, ist somit falsch. Diese Darstellung lässt den Verdacht begründet erscheinen, dass die an den Maßnahmen beteiligten Beamten von einer eigenen Verantwortlichkeit hinsichtlich der Entstehung von Verletzungen ablenken wollten." Bei Tim wurden später Würgemale am Hals, Blutergüsse, ein geplatztes Trommelfell, einen Haarriss im Wangenknochen und eine Schädelfraktur diagnostiziert. Nicht alle Verletzungen ließen sich als Gegenmaßnahmen gegen den Widerstand von Tim erklären. "Es ist der Verdacht begründet, dass im Verlauf der Maßnahme und hier insbesondere des Transports sowie des Aufenthalts dort bis zum Eintreffen von Doktor R. Übermaß beziehungsweise sogar die von Tim K. beschriebene willkürliche Gewalt durch Beamte gegeben war. ... cd In der Ausgabe vom 23./24. September 2000 wird unter der Überschrift "Polizisten kommen ungeschoren davon" über die Einstellung des Verfahrens gegen Polizeibeamte berichtet.
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Verfassers und betreffenden Publikationsorganes einzuholen. Polizisten kommen ungeschoren davonDer Fall Tim Koehne wird für die beteiligten Polizeibeamten weitgehend ohne Folgen bleiben. Die Staatsanwaltschaft teilte gestern mit, dass die Ermittlungen gegen 13 Polizeibeamte wegen Körperverletzung im Amt abgeschlossen seien. Lediglich zwei Beamte haben nun mit geringer Strafe zu rechnen: Weil ein Beamter Koehne auf die Hüfte schlug, beabsichtigt die Staatsanwaltschaft, das Verfahren gegen Zahlung eines Buß- und eines Schmerzensgeldes einzustellen. Gegen einen zweiten Beamten, der Koehne ins Gesicht geschlagen hatte, wurde Erlass eines Strafbefehls beantragt, was auf eine Geldstrafe hinausläuft. Disziplinarrechtlich ist nun nicht mit einer großen Strafe zu rechnen. ... Die Innenrevision der Polizei hatte den Fall geprüft und war zu dem Schluss gekommen, dass Beamte "Übermaß bzw. sogar willkürliche Gewalt" angewendet hatten. Nun muss also der größte Teil
des Ermittlungsverfahrens "mangels Tatverdacht" eingestellt werden,
schreibt die Staatsanwaltschaft. Es sei nicht möglich gewesen, einzelne
Handlungen bestimmten Beschuldigten zuzuordnen. Auch sei nicht auszuschließen,
dass die Verletzungen durch gerechtfertigtes Handeln entstanden seien, nämlich
durch Abwehr von Angriffen und Brechen von Widerstand. Urteil des Bremer Oberlandesgerichts vom 21. Februar 2003: Beamte müssen beweisen, dass sie aus Notwehr zuschlugen Der Weser Kurier berichtet in seiner Ausgabe vom 11. März 2003 (Seite 11, Bremen Stadt) von einem Urteil des Bremer Oberlandesgerichts unter der Überschrift "Erster Erfolg für Tim Koehne im Streit mit Polizei". Es wird mitgeteilt, dass das Oberlandesgericht dem Studenten Prozesskostenhilfe bewilligt und entschieden habe, dass am Landgericht eine Beweisaufnahme durchgeführt werden muss. In dem Beschluss heißt es: "Koehne habe 'schlüssig vorgetragen', dass er im Polizeigewahrsam in erheblichem Umfang körperlich misshandelt worden sei. Es sei 'unstreitig', dass er 'nahezu unverletzt' in Gewahrsam genommen, aber mit ganz erheblichen Verletzungen entlassen wurde." Weiter wird ausgeführt, dass das Oberlandesgericht Zweifel habe, ob sich die Polizei überhaupt auf das Notwehrrecht berufen könne. Zitat aus dem Bremer Weser Kurier: "Weil Koehne betrunken war und zudem klein und schmächtig ist, stelle sich die Frage: Wie konnte er die ihm körperlich und zahlenmäßig überlegenen Polizisten derart in Bedrängnis bringen?" Weil nach dieser richterlichen Wertung eine reale Chance bestünde, den Prozess gegen die Polizei auch zu gewinnen, sei dem Studenten Koehne überhaupt Prozesskostenhilfe gewährt worden, stellt Koehnes Antwalt Helge Bleischwitz mit Zufriedenheit fest. Ich werde daher das kommende Verfahren weiter beobachten und an dieser Stelle über den Fortgang berichten. Jörg Hutter Zivilprozess: Tim Koehne gegen die Stadt Bremen Im kommenden Zivilprozess klagt Tim Koehne gegen die Stadt Bremen als Dienstherrin der Polizei auf Schadenersatz. Die 1. Zivilkammer des Bremer Landgerichts befasst sich am 15. Juli 2003 um 9:00 Uhr im Raum 117 mit dem Fall. Der Weser Kurier meldet am 16. Juli 2003 (S. 9), dass der Zivilprozess aller Wahrscheinlichkeit nach in einem Vergleich ende, da beide Parteien einem Vergleich zugestimmt hätten. Koehne erhält demnach von der Stadt Bremen 4350,00 Euro Schmerzensgeld. Die Richter unterstrichen, dass sie Koehnes Anliegen für begründet erachteten. So seien Ungereimtheiten in den Aussagen der Polizeibeamten offensichtlich: "Laut Polizeiarzt behaupteten mehrere Beamte, Koehne sei schon vor seiner Festnahme schwer verletzt gewesen. Das (...) sei aber nachweislich falsch. Stimme die Version des Arztes, stelle sich also die Frage, ob die Beamten etwas vertuschen wollten" (Weser Kurier, 16.07.2003, S. 9). Laut Aussagen seines Anwaltes Helge Bleischwitz stimmte Koehne dem Vergleich zu, weil er sich einen aufwühlenden Prozess ersparen wolle. "denn die Erlebnisse jener Nacht machten ihm immer noch schwer zu schaffen" (Weser Kurier, 16.07.2003, S. 9). Tim Koehne hätte das jahrelange Tauziehen um die brutalen Übergriffe von Polizisten kaum besser enden können. Das Schmerzensgeld von 4250,00 Euro ist für deutsche Verhältnisse hoch. (taz bremen, 16. Juli 2003, S. 21). Der ausbleibende Zivilprozess kann die Kritik an der Polizei und ihrem Korpsgeist somit nicht entkräften, wenn auch ein solcher Prozess "tiefe Einsichten in die Folgen von Korpsgeist geliefert (hätte), der aus einer Truppe, die sich zum Fehlverhalten einzelner Mitglieder nicht bekennt, einen Haufen hirnloser Stammler macht - eine Polizei, wie sie niemand will" (taz bremen, 16. Juli 2003, S. 21). Zurück zum Inhalt Zurück zum Beginn Themenverwandte Links
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