Die Versuche zur Verschärfung des Bremischen Ordnungs- und PolizeirechtsDie CDU möchte öffentliches Trinken verbieten lassen (Erste Seite des Antrages der CDU-Fraktion des Bremer Beirates Östliche Vorstadt)Trinken erlaubt (taz bremen vom 11.9.1997)Trinken erlaubt
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BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind nicht davon überzeugt, dass diese erwünschten Ergebnisse eintreten werden. Stattdessen ist zu befürchten, dass die rechtliche Grundlage für ein anscheinend willkürliches Verjagen "unerwünschter Personen" geschaffen wird, anstatt die Ursachen der angesprochenen Probleme anzugehen.
Schon jetzt gehen Stadtamt und Polizei mit Platzverweisen und (längerfristigen) Aufenthaltsverboten stärker gegen Personen vor, die durch ihr Aussehen und ihr Benehmen nicht ins Bild passen. Betroffen sind nicht "nur" Junkies. Berichte stützen die Vermutung, dass dunkle Hautfarbe, bunte Haare oder jugendliches Alter immer häufiger ausreichen, die Betreffenden aus dem innerstädtischen Raum zu verbannen. Bei Verstößen gegen solche Verbote drohen erhebliche Geldstrafen. Zudem häufen sich die Berichte, nach denen die Polizei Personen in schikanöser Art und Weise kontrollieren soll.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wollen eine Bestandsaufnahme dieser Bremischen Praxis versuchen, wobei einerseits Betroffene und ihre Anwälte, andererseits die Vertreter der Stadt zu Worte kommen sollen. Der Verwaltungsrechtler Dr. Wolfgang Hecker ist geladen, die behördliche Praxis einzuschätzen. Insbesondere soll geprüft werden, ob Aufenthaltsverbote und Platzverweise Grundrechte berühren bzw. als verfassungsrechtlich bedenklich zu bewerten sind und ob das Land Bremen überhaupt befugt ist, derartige Regelungen zu erlassen.
Diese Veranstaltung war auch dann, wenn ein Medienecho ausblieb und die Vertreter der Stadt ihre Teilnahme verweigert haben, ein Erfolg. Aus dem Kreis der etwa einhundert BesucherInnen bildete sich ein kleine Arbeitsgruppe, die dieses Thema weiter diskutiert hat. Aus diesem Rahmen heraus ist die folgende Pressemitteilung entstanden.
Zur Forderung der Bremer CDU, den Alkoholkonsum auf öffentlichen Plätzen zu verbieten, erklärt Dr. Jörg Hutter, innenpolitischer Sprecher des grünen Landesvorstands:
"Das von der Bremer CDU geforderte Verbot des Alkoholkonsums auf öffentlichen Plätzen verstößt gegen Art. 2, Absatz 1 des Grundgesetzes, da es die verfassungsrechtlich garantierte Handlungsfreiheit massiv einschränkt. Bei der Forderung nach mehr öffentlicher Ordnung sind die Grundrechte aller Nutzer öffentlicher Plätze miteinander abzuwägen. Bloße subjektive Sicherheitsbedürfnisse dürfen demnach zu keiner nachhaltigen Grundrechtseinschränkung für andere führen. Eine Beeinträchtigung von Grundrechten anderer setzt hingegen objektiv gegebene Gefahrenlagen voraus, die weder beim dauerhaften Verweilen zum Zwecke des Alkoholkonsums noch beim Betteln erkennbar sind.
Die Forderung der Bremer CDU verstößt demnach eklatant gegen verfassungsrechtliche Grenzen unseres demokratischen Rechtsstaates. Indem die SPD ihren Koalitionspartner nicht in diese rechtsstaatlichen Schranken verweist, beteiligt sie sich an der schleichenden Aushöhlung unserer Verfassung und lässt erneut zu, dass Bürgerrechte beschnitten werden.
Zu befürchten ist, dass die geplante Verschärfung des Bremer Ortsgesetzes zu einer planmäßigen Vertreibung ganzer Personengruppen aus der Innenstadt führen wird. Betroffen sind vor allen Dingen diejenigen Bürgerinnen und Bürger, die sich auf Grund der anhaltenden Kürzungen im Sozialbereich den teuren Alkoholkonsum in Gaststätten und Biergärten nicht mehr leisten können. Eine solche Politik der sozialen Ausgrenzung stößt auf entschiedenen Widerstand von Bündnis90/DIE GRÜNEN."
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taz bremen vom 19.2.1997
Mit ähnlichen Worten kommentierte der Weser Kurier am 19.2.1997 die Pressemeldung. Unter der Überschrift "Zechverbot verletzt Grundgesetz" hieß es, dass Jörg Hutter, innenpolitischer Sprecher des Landesvorstandes erklärte, "das von der CDU geforderte Verbot, auf öffentlichen Plätzen zu zechen, wenn dies 'in einer für Dritte beeinträchtigenden Art geschieht', (...) gegen das Grundgesetz" verstöße, da die "verfassungsrechtlich garantierte Handlungsfreiheit 'massiv eingeschränkt' werde".
Bereits im Jahr 1999 (mit Datum vom 13. August) legte der neue Bremer Innensenator Bernt Schulte einen Entwurf zum Polizeigesetz vor. Dieser blieb allerdings öffentlich undiskutiert. Erst der Entwurf vom April 2000 löste eine umfangreiche öffentliche Debatte aus.
Die zentrale Änderung in beiden Entwürfen signalisierte bereits die Präambel. Dort heißt es ergänzend zum ersten Satz, der festlegt, dass die Polizei die Aufgabe habe, Gefahren für die öffentliche Sicherheit abzuwehren: "Sie trifft dazu auch Vorbereitungen, um künftige Gefahren abwehren zu können. Die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit umfasst auch die Verhütung von Straftaten." Präventive Polizeiarbeit wird mit dieser Formulierung unspezifisch vorverlagert auf "künftige Gefahren".
Gegen diesen Vorstoß haben die Bremer Grünen deutlich Position bezogen. Der Grüne Bürgerschaftsabgeordnete Matthias Güldner formulierte die grünen Bedenken unter dem Titel "Wer schützt vor dem Staat?" am 22. Mai 2000 in einem Artikel in der taz bremen. Ich selber habe einen Antrag für die Landesmitgliederversammlung erarbeitet, den diese am 6. Juni 2000 einstimmig bei einer Enthaltung verabschiedet hat. Der Beschluss hat den folgenden Wortlaut:
Unter dem Ziel der Verhütung von Straftaten präsentiert die große Koalition einen Gesetzentwurf, der die Freiheit der Bürger zu Gunsten polizeilicher Eingriffsbefugnisse in erheblicher Weise einschränkt. Der Gesetzentwurf ermächtigt die Polizei zur vorbeugenden Unterbindung von Störungen der‚ öffentlichen Ordnung‘. Durch diesen diffusen und unbestimmten Polizeiauftrag stehen alle BürgerInnen unter einem Generalverdacht. Während bislang nur konkrete, personenbezogene Anhaltspunkte polizeiliches Einschreiten legitimieren, sollen zukünftig bereits Tatsachen ausreichen, welche die „Annahme rechtfertigen, dass nicht geringfügige Ordnungswidrigkeiten oder Straftaten begangen werden.“ Durch diese Generalklausel kann jede/r Bürger/in Opfer polizeilicher Zwangsmaßnahmen werden, selbst dann, wenn ihr/ihm rechtlich nichts vorzuwerfen ist.
Ein Polizeigesetz hat jedoch die Eingriffsbefugnisse der Polizei gesetzlich festzuschreiben. Es dient damit als Schranke vor Eingriffen der Polizei. Nicht die polizeiliche Befugnis, sondern die Freiheit der Bürger ist durch ein Polizeigesetz zu schützen. Dementsprechend sollte ein Polizeigesetz die grundrechtsrelevanten Eingriffsbefugnisse der Polizei genau benennen. Diesem Anspruch werden die folgenden der Polizei eingeräumten Befugnisse nicht gerecht:
Beispiel 1: Videoüberwachung auf öffentlich zugänglichen Orten (§ 29 PolGesEntwurf)
Öffentliche Orte, „an denen vermehrt Straftaten begangen werden oder bei denen auf Grund der örtlichen Verhältnisse die Begehung von Straftaten besonders zu erwarten ist“, sollen durch polizeiliche Videoaufzeichnungen überwacht werden. Die Polizei darf demnach personenbezogene Aufnahmen von jeder Bürgerin/jedem Bürger anfertigen, speichern und auswerten. Dies betrifft dann beispielsweise auch all diejenigen, die den Bahnhofsplatz queren, um ein öffentliches Verkehrsmittel zu benutzen.
Beispiel 2: Der Lausch- und Spähangriff sowie der Einsatz von verdeckten Ermittlern (§ 33 PolGesEntwurf)
Die Polizei soll „Personen durch den verdeckten Einsatz technischer Mittel“ (Bild- und Tonaufnahmen) sowie durch „Beamte mit veränderter Identität“ bespitzeln und belauschen können, wenn „Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass (diese Personen) Straftaten begehen werden.“ Während bislang die Staatsanwaltschaft nur bei einem konkreten Tatverdacht (Strafprozessordnung) die Ermittlungen führt, soll die Polizei zukünftig ermächtigt werden, bereits bei bloßem Verdacht auf eine zukünftige Straftat, bespitzeln und belauschen zu können.
Beispiel 3: Verdachtsunabhängiges Anhalte- und Befragungsrecht (§ 13 PolGesEntwurf)
Der Polizei soll gestattet werden, jede Person beim Aufenthalt an bestimmten Orten (Verkehrsanlagen, Versorgungseinrichtungen, öffentlichen Verkehrsmittel, Amtsgebäude etc.) anzuhalten, die Identität auch durch erkennungsdienstliche Maßnahmen (Fingerabdruck, Lichtbild, andere Messungen) festzustellen und sie zu befragen, wenn „von den Angaben Aufklärung eines Sachverhaltes erwartet werden“ kann. Bislang dürfen Personen nur bei konkretem Tatverdacht erkennungsdienstlich behandelt werden. Einer Vorladung zur Polizei braucht zudem nicht Folge geleistet zu werden.
Beispiel 4: Tatverdachtsunabhängige Platzverweise und Ingewahrsamnahmen (§ 14 und 15 PolGesEntwurf)
Jede Person soll „von einem Ort verwiesen“ werden können, „so weit dies zur Abwehr einer Gefahr erforderlich ist“. Zur Durchsetzung eines Platzverweises soll zukünftig jede Person in Gewahrsam genommen werden können. Bislang dürfen nach geltendem Recht Personen nur dann eines Ortes verwiesen werden, wenn sie selbst eine Gefahr verursachen. Ingewahrsamnahmen sind nur dann zulässig, wenn die „Nichtbefolgung eines Platzverweises eine erhebliche Gefahr zur Folge hätte“.
Fazit:
Über die Notwendigkeit einer solch drastischen Bedrohung der Grund- und Bürgerrechte schweigt sich der Entwurf aus. Unklar bleibt, welche polizeilichen Konzepte durch das jetzt geltende Recht beschränkt oder ausgehebelt werden. Wichtige Schutzbestimmungen bleiben indessen ausgeklammert. Nicht enthalten im Entwurf ist der „Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt“ (Wegweisungsrecht für gewalttätige Ehemänner) oder präzisere Formulierungen, die Verhaftete vor polizeilicher Willkür schützen (richterliche Vorführung von Verhafteten innerhalb von einer Stunde).
Die gesamte Palette der Maßnahmen mag sich zwar in erster Linie gegen ‚unliebsame‘ Personengruppen richten, denen im strafrechtlichen Sinne nichts vorzuwerfen ist.. Die Unbestimmtheit der vorgeschlagenen Polizeibefugnisse kann jedoch jede/jeden treffen.
Die Polizei selbst sollte der Erwartung, Kriminalität umfassend verhüten zu sollen, skeptisch gegenüberstehen. Denn angesichts einer Sozialpolitik, die im Bereich der Jugend- und Familienarbeit, bei der Sozialhilfe oder der Kultur die Mittel zusammenstreicht, sind Zweifel angebracht, dass es wirklich um eine effektive Kriminalitätsprävention geht. Denn unbestreitbar trägt eine gute Sozialpolitik auch zur Kriminalitätsvorsorge bei. Die große Koalition produziert hingegen mit hoher Energie gerade selbst die sozialen Probleme, die sie mit dem verschärften Polizeigesetz bekämpfen möchte.
Was ist zu tun?
Der Widerstand einer/s jeden aufgeklärten BremerIn ist erforderlich. Zeigen wir der CDU die rote Karte und fordern wir von der SPD eine klare Standortbestimmung: Statt das Bremische Polizeirecht zu verschärfen, sind soziale und kulturelle, Familien- und Jugendprojekte, Drogenhilfe- und Gesundheitseinrichtungen angemessen zu fördern. Diese Maßnahmen sind allemal besser geeignet, Kriminalität wirkungsvoll zu verhüten.
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Der Weser Kurier berichtet am 10. Juni über den Beschluss unter dem Titel "Bündnis des Widerstands - Mitglieder verabschiedeten Resolution gegen neues Polizeigesetz". Dort hieß es u.a., dass sich die Grünen insbesondere an den Plänen stießen, die der Polizei das vorbeugende Einschreiten gestatten. "Statt konkreter Anhaltspunkte wie bisher sollen dazu künftig Verdachtsmomente ausreichen. Gerade hier, so Jörg Hutter, Mitglied des Landesvorstands, sei der Entwurf an 'Unbestimmtheit kaum zu überbieten'. Damit sei Willkür Tür und Tor geöffnet. Die Ermessensspielräume seien so groß, dass es schwierig werde, der Polizei unverhältnismäßiges Verhalten nachzuweisen." (...) Das Polizeigesetz sei dazu da, so Hutter, die Bürger zu schützen. Die Novelle aber diene dazu, 'die polizeilichen Befugnisse gegenüber den Bürgern zu erweitern'. Die Motive für diese Umgewichtung lägen im Dunkeln. Hutter vermutete jedoch einen Zusammenhang zwischen Gesetzesänderung und dem rigiden Sparkurs im Sozialressort: 'Man kann nicht Jugendprojekte streichen und sich dann wundern, dass Jugendliche auf der Straße hängen und Unsinn machen. Damit trotzdem alles schön ruhig und ordentlich bleibt, soll die Polizei mehr Rechte bekommen.' "
Unter obigen Titel luden wir am 4. Dezember 2000 zu einer Diskussionsveranstaltung. Die taz bremen berichtete hierüber wie folgt:
"Ersatzhandlung" Polizeigesetznovelle
Grüne diskutierten Gesetzentwurf / Eingriff in Bürgerrechte befürchtet /
Bleibt die Frage: Woher kommt der große Zuspruch?
taz bremen vom 6.12.2000
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Innenpolitiker müssen keine seherischen Fähigkeiten haben. Dennoch gab sich der grüne Innenpolitiker Matthias Güldner bei der Grünen-Veranstaltung "Keine Verschärfung des Bremer Polizeirechts. Mit Sicherheit weniger Bürgerrechte!" am Montagabend als Prophet. Die große Koalition werde im kommenden Sommer das Bremer Polizeirecht unannehmbar verschärfen, so der Oppositionspolitiker. Mit dem Thema Innere Sicherheit versuche "die CDU verzweifelt, sich sowas wie ein politisches Profil zu schaffen". Es sei vor dem Hintergrund der konservativen Politik von SPD-Bürgermeister Scherf und Bildungssenator Lemke wie wenige geeignet, sich von der SPD abzugrenzen. Er erwarte einen "großen Deal" im Sinne eines Kuhhandels in der Koalition, obwohl es SPD-intern viel Kritik gebe.
Soviel zum Auftakt der ersten öffentlichen Grünen-Veranstaltung zum geplanten Polizeigesetz, die - eine Woche vor einer anderen, sicher kontroverseren Diskussion mit Vertretern aller Parteien - Schlusslichtcharakter hatte, zumal CDU und SPD das Thema seit dem Frühjahr öffentlich debattieren. Mit bekannten Folgen: Die Positionen zu verdachtsunabhängigen Kontrollen und präventiven Lauschangriffen sind verhärtet; bei der Videoüberwachung hat die SPD inzwischen Kompromissbereitschaft signalisiert. Den polizeilichen Todesschuss fordert öffentlich nur noch der Innensenator, während die SPD insistiert: "Davon steht nichts in den Koalitionsvereinbarungen". Sogar CDU-Parteivize Michael Teiser äußert, der Rettungsschuss sei für ihn "nicht der wesentliche Punkt", käme nur der Rest ins Gesetz.
Doch der Bremer Grüne Güldner ließ es sich nicht nehmen, den Todesschuss als "Zugriff auf rechtes Wählerpotenzial" zu bewerten - und zugleich als letzte Steigerungsform einer politischen Logik, die "wegmachen, Probleme aus der Welt schaffen" wolle. Den Bahnhofsvorplatz zu einem Zentrum der Videoüberwachung zu machen, diene weniger der Verbrechensbekämpfung. Das habe Symbolcharakter, angesichts von zehntausend Passanten, denen täglich Polizeiaktivität vorgeführt würden, die Kriminalität aber höchstens verdränge. Auch Podiumsteilnehmer Rolf Goessner, Publizist, schloss sich der Kritik an. Die Rechtsnovelle ersetze die verfassungsmäßige Unschuldsvermutung durch ein "generalisiertes Misstrauensvotum".
Nur der hessische Ex-Justizminister Rupert von Plottnitz durchbrach diese Diskussionslinie: Die Grünen müssten sich fragen, wieso solche Rechtsverschärfungen seit 20 Jahren in weiten Teilen der Bevölkerung akzeptiert würden. Sein Erklärungsansatz: "Noch nie war der Sozialstaat so schwach wie heute." Viele Menschen erlebten den Abbau von sozialen und gesellschaftlichen Standards als bedrohlich. So gesehen trage die Verschärfung von Polizeigesetzen den Charakter einer Ersatzhandlung. ede
Auf einer weiteren öffentlichen Veranstaltung am 12. Dezember 2000 sowie in der Bürgerschaftsdebatte am 14. Dezember gerieten die Koalitionäre noch einmal heftig aneinander. Nicht einig war man sich bei den vom von der SPD und dem
In einer Koalitionsrunde vor Weihnachten kam dann doch die Einigung: Auf verdachtsunabhängige Personenkontrollen wird verzichtet, statt "expliziter Regelung" des Todesschusses soll nun eine "verfassungsrechtlich einwandfreie Formulierung" Polizisten in einem solchen Fall Rechtssicherheit geben (auf diese Formulierung bin ich mal gespannt), die Möglichkeit zur erleichterten Festnahme allerdings bleibt. Die Polizei soll demnach berechtigt sein, Personen schon zur "Durchsetzung eines Platzverweises" in Gewahrsam nehmen zu können. Die jetzige Regelung setzt voraus, dass Festnahmen nur dann möglich sind, wenn die Nichtbefolgung eines Platzverweises "eine erhebliche Gefahr zur Folge hätte" (§ 15 BremPolGes). Somit hat sich die SPD zwar beim symbolischen Kampf um den Todesschuss weitgehend durchgesetzt, erhebliche Grundrechtseinschränkungen hingegen billigend in Kauf genommen. Ingewahrsamnahmen werden - wenn dieser Passus tatsächlich Gesetz wird - in Zukunft wohl zur gängigen Bremer Polizeipraxis gehören. Juristisch wird diesen rechtlich unbestimmten Zwangsmaßnahmen dann kaum noch beizukommen sein. Wahrlich kein gutes Aushängeschild für eine weltoffene Hansestadt.
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Eva Rode. Alle Rechte vorbehalten.
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Die taz bremen berichtet am 24. Januar über die Einigung der großen Koalition. Die Verschärfung des Polizeigesetzes kommt.
"Der Bremer Senat hat gestern ein neues Bremisches Polizeigesetz abgesegnet. Die Novelle soll im Februar in der Innendeputation und dann in der Bürgerschaft diskutiert werden. Nachdem am Montag noch letzte Kompromisse formuliert wurden, wird nun eine reibungslose parlamentarische Beschlussfassung erwartet. Allerdings ist die heiß umstrittene Regelung über einen polizeilichen Todesschuss noch nicht enthalten. Ebenso wenig eine Wegweisungsregelung.
Über diese beiden Punkte herrscht in der Koalition aber grundsätzlich Einvernehmen. So heißt es im Senatsbeschluss, eine Regelung zum polizeilichen Wegweisungsrecht solle in einem späteren Gesetzentwurf erfolgen. Die Regelung soll ermöglichen, dass beispielsweise schlagende Ehemänner aus der Familienwohnung gewiesen werden können. Allerdings soll ein entsprechendes Bundesgesetz abgewartet werden. Zur zwischen den Koalitionären verabredeten Regelung zum Todesschuss sagte Innensenator Bernt Schulte (CDU): "Wir wollen im Laufe des Gesetzgebungsprozesses eine Regelung finden, die den Schusswaffengebrauch von Polizeibeamten mit vermutlich tödlicher Wirkung auf eine verfassungsrechtlich einwandfreie Grundlage stellt."
Außerdem sollen künftig öffentliche Plätze videoüberwacht werden. Platzverweise werden nur dann mit Gewahrsam geahndet, wenn von der Person, die den Verweis missachtet, auch Gefahr ausgeht. ede"
Nachdem die großen Schlachten geschlagen (und, so wie ich meine, in großen Teilen verloren) worden sind, hat die Bremische Bürgerschaft den Entwurf zum Polizeigesetz auf ihrer 33. Sitzung am 22. Februar 2001 in erster Lesung diskutiert und ihm zugestimmt. Nun hat die CDU nicht alle ihrer undemokratischen Vorschläge durchsetzen können (insbesondere den Todesschuss und die verdachtsunabhängigen Personenkontrollen). Trotzdem drohen einschneidende Rechtsverschärfungen bei der Videoüberwachung, den Platzverweisen und den mit diesen verbundenen Ingewahrsamnahmen. Insofern dokumentiert das Abstimmungsergebnis zum Gesetz zur Änderung des Bremischen Polizeigesetzes vom 22. Februar 2001 nicht nur das Kräfteverhältnis in der Bremischen Bürgerschaft, sondern auch die jeweilige Parteienmeinung zu einer massiven Einschränkung von Bürger- und Freiheitsrechten.
Für die Gesetzesänderung stimmten:
SPD, CDU, DVU Abgeordnete Tittmann.
Gegen die Gesetzesänderung stimmten:
Bündnis 90/DIE GRÜNEN.
Stimmenthaltungen: keine.
Somit beschloss die Bremische Bürgerschaft die Änderungen am 22. Februar 2001 in erster Lesung.
Über die detaillierte Fassung der Polizeirechtsnovelle sind sich SPD und CDU weiter uneins. Gestritten wird um den sogenannten "finalen Rettungsschuss". Den von der SPD vorgelegten Formulierungsvorschlag hält die CDU für untauglich. Und so ist die 2. Lesung des Entwurfs von der Tagesordnung der Bürgerschaftssitzung im Mai 2001 genommen worden. Matthias Güldnernahm die Koalitionszwist zum Anlass, erneut die grüne Position zu bekräftigen. In der taz-bremen heißt es am 9.05.01:
"Wir lehnen auch den Rettungsschuss 'light' der SPD ab", so der Bürgerschaftsabgeordnete Matthias Güldner. "Anstatt ohne wenn und aber den Todesschuss auf Anordnung abzulehnen, knicken die Sozialdemokraten jetzt ein." Auch ohne Formulierung im Polizeigesetz könnten Polizisten als letztes Mittel schießen. Die Grünen halten das so genannte "Notwehrrecht", das jeden Bürger im Extremfall vor Strafverfolgung schützt, für ausreichend. Als "unverschämte Meinungsmache" bezeichnete Güldner die Behauptung des CDU-Innenpolitikers Herderhorst, mit dem Rettungsschuss hätte es keine Toten beim Geiseldrama von Gladbeck gegeben: 1988 hätte es "schwerwiegende polizeiliche Fehler" gegeben. Deshalb wäre die Situation eskaliert. "Herderhorst verdreht die Tatsachen."
Diese Seite wird in Zukunft um die kommenden Auseinandersetzungen ergänzt werden. Wer möchte auf dem Laufenden bleiben? Dann nach einiger Zeit wieder vorbeischauen.
Ich bin im Sommer 2004 bei Bündnis 90/DIE GRÜNEN ausgetreten. Die Begründung meines Parteiaustritte findet sich unter dem folgenden Link: [Parteiaustritt].
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Anmerkung: 01AfB steht für die Partei "Arbeit für Bremen", derzeit nicht mehr in der Bremischen Bürgerschaft vertreten. Zurück zur Fn.
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