Punk und schwul

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Punk und schwul: eine ganz persönliche Sichtweise
(Punk and Gay: A very personal viewpoint)

Die Aggressive Noise Promotions aus München publizieren mehrmals jährlich ein Kruzefix-Zine, welches im Rahmen von Konzerten veröffentlicht und mit einer passenden Musik-CD unters Volk gestreut wird. Die erstjährige Ausgabe aus 2003 widmet sich dem Thema Intoleranz. Unter obigem Titel ist dort Anfang Februar 2003 der hier abgedruckte Beitrag von mir erschienen.

(Several times a year the aggressive “Noise Promotions” from Munich publishes a Crucefix-zine which is issued under the framework of concerts and spread to the public with a related music CD. The first edition this year (February 2003) is dedicated to the subject of intolerance and contains the following contribution of mine)

Kruzefix-Festival

Punk und schwul: eine ganz persönliche Sichtweise (Punk and Gay: A very personal viewpoint) [To the english translation]

Wenn ich als schwuler Punk über Intoleranz in der Punk-Szene sprechen soll, dann geht das nur, wenn ich mich zuvor über die Intoleranz in der schwulen Szene auslasse. Die geht mir nämlich weit mehr auf den Senkel und ist Grund dafür, dass ich mich lieber unter (Hetero-)punks bewege.

schwule punks Jörg and Tino

Gay Punks Jörg and Tino

Schwule Szene bedeutet für mich in erster Linie normiertes Verhalten, Regeln von A bis Z: vom angemessenen Outfit und richtigen Modeklamotten über die richtige Anmache bis hin zum richtigen Alter. Das Benimm-Gepeile beginnt, sobald ich eine Bar betrete. Jeder mustert jeden mit seinen Radarblicken, die Gespräche bleiben oberflächlich, das eigene Verhalten nicht ehrlich, sondern künstlich. In diesen sexualisierten Räumen spüre ich nur Anspannung, da ist kein Spaß, das ist einfach nur traurig für mich. Auf der Tanzfläche geht es mehr um Selbstdarstellung, allein zuckend im Technotakt. Als Fremder kann ich mich mehrere Stunden in einer Bar oder Disco aufhalten, ohne in Kontakt mit den anderen Anwesenden zu kommen. Die Situation ähnelt einem Rudel einsamer Wölfe auf der Suche nach dem Glück. Selbstverständlich ist das nicht überall so. In den Cafes und Kommunikationszentren der Schwulenbewegung geht es mit Sicherheit lockerer zu. Deshalb war und bin ich auch dort nach wie vor ehrenamtlich engagiert.

In der Punk-Szene habe ich hingegen einen anderen Umgang untereinander erlebt. Das Motto „No gods, no masters“ verdeutlicht wohl am besten, was hier nicht angesagt ist: spießige Normen über Mode, Aussehen, Alter und Benehmen sowie arrogante Macker mit Szeneerfahrung, die meinen zu wissen, wie man szenegemäß zu leben hat. In der Punk-Szene komme ich in der Regel mit Fremden sofort in Kontakt, da ein Zusammengehörigkeitsgefühl existiert. Jung oder alt spielt eine eher untergeordnete Rolle, trotz Iro und bunter Haare existiert kein Dresscode, der Leute mit anderen Haarschnitten oder szeneuntypischen Klamotten etwa von Konzis ausschlösse. Im Vergleich zu Techno macht Pogo nur im Miteinander Spaß. Zu bolzen und zu pogen, ohne die anderen im Blick zu haben und diejenigen, die zu Boden gehen, wieder hochzuziehen, wäre kein gemeinsamer Spaß. Pogo ist für mich im Gegensatz zu Techno ein gemeinschaftliches Erlebnis. Schließlich darf man sich auch einmal ‚daneben’ benehmen, besaufen usw. usf. Aufgrund des Zusammengehörigkeitsgefühls, das ich aus der schwulen Szene so nicht kenne, existiert in Konflikten etwa mit der Polizei oder Nazis Solidarität. Gegenseitige Hilfe – so habe ich es jedenfalls erlebt – zählt unter Punkern eher zu einer Selbstverständlichkeit.

Gay Punk Tino
Gay Punk Tino

Nun sind PunkerInnen natürlich trotz dieser Beobachtungen nicht prinzipiell die besseren Menschen. Vorurteile und Intoleranz kennt wohl jede Minderheit, denn die Erfahrung, selber ausgegrenzt zu werden, schafft  - so meine Meinung - noch lange kein politisches Bewusstsein für die Mechanismen von Benachteiligung. Demnach sind auch manche Schwule antisemitisch oder feindlich gegenüber Punkern bzw. Frauen eingestellt, genauso wie sich Juden oder Punker schwulenfeindlich verhalten können.

Schon aufgrund dieser Gegebenheiten finde ich es selbstverständlich, dass meine Freunde und Freundinnen wissen, dass ich selber schwul bin. Spannend wird es dabei immer in den konkreten Situationen, in denen das eigene Schwulsein eine Rolle spielt. So hat beispielsweise einer meiner Kumpel, als er bei mir einen Pennplatz erhielt, erwartet und zugleich befürchtet, von mir in der Nacht sexuell bedrängt zu werden. Das war einmal vor vielen, vielen Jahren so. Heute weiß jeder in der Bremer Punk-Szene, dass ich schwul bin und dass man trotzdem bei mir ganz problemlos pennen kann.

Meine offene Wohnung bot dann allerdings auch Gelegenheit, mich wegen meiner Sexualität ganz heftig zu diskreditieren. Während meiner Abwesenheit und unter Ausnutzung meines Vertrauens haben zwei PunkerInnen meine private Fotosammlung durchwühlt auf der Suche nach kompromittierenden Aufnahmen. Das, was sie fanden – intime Bilder von mir und meinem Freund - , galt ihnen als derart abscheulich und ekelerregend, dass sie es gleich in der Szene verbreiteten und ich von vielen Seiten auf mein vermeintlich ‚abartiges’ Intimleben angesprochen wurde. Gefreut hat mich dabei, dass sich viele meiner Freunde mit mir solidarisch erklärten. Deshalb habe ich den Vorfall nach meinem anfänglichen Ärger sportlich-locker genommen, ganz nach dem Motto, ist der Ruf erst ruiniert, dann lebt es sich auch unter Punkern ganz ungeniert.

Distanz erlebe ich schließlich in Situationen, in denen ich mit einem vorwurfsvollen Unterton gefragt werde, warum ich (als Schwuler) eigentlich Punk bin. Natürlich hat das neben dem Faible für Punk-Mucke und der Szene auch etwas mit Erotik zu tun. Das Auftreten der Typen gefällt mir, weil sie männlich wirken. Allen Klischees zum Trotz stehe ich als Schwuler nun mal auf Männer, und zwar auf solche, die männlich aussehen und sich männlich verhalten. Dabei zählt für mich menschliche Nähe zu Männern genauso viel wie geiler mannmännlicher Sex. Deshalb genieße ich es, mit meinen vergammelten Klamotten auf Punk-Konzis zu latschen, dort nette Typen zu erleben, mit ihnen gemeinsam zu labern, zu pogen und zu saufen, einfach zusammen Spaß zu haben.

Jörg aus Bremen

(Punk and Gay: A very personal viewpoint) 

As a gay punk, the only way to talk about intolerance in the punk-scene is first to go into the subject of intolerance in the gay-scene which gets on my nerves much more, and is the reason why I much prefer to hang around with (hetero-) punks.

Gay Punk Jörg
Gay Punk Jörg

The gay-scene means first and foremost for me, standard behaviour, rules from A to Z: from suitable outfits and the right fashionable clothing through the right forms of “patter” up to the correct age. Behavioural-observation begins as soon as I set foot in a bar. Everyone is sussing everyone else out with their radar glances, conversation remains superficial, and one’s own behaviour not honest but artificial. I can only detect tension in these sexualised spheres. This is not fun, it is simply sad in my opinion. The dance floor is full of show-offs twitching to techno-rhythms. If I am a stranger in a bar or a disco I can spend hours without coming into contact with the other people present. The situation can be compared to a pack of wolves looking for happiness. Naturally, this is not the case everywhere. Everything is much more relaxed in the gay-movement cafés and communication centres. For this reason, I was and still am active, in an honorary capacity, here. On the other hand, I have experienced a different form of dealing with each other in the punk-scene. The motto “No Gods, No Masters” shows best what is not wanted: conservative norms concerning fashion, what you look like, age and behaviour as well as arrogant know-alls with scene-experience who think they can tell you how to live your life inside the scene. In the punk-scene I more often than not get to know strangers straight away. There is a feeling of belonging together. Young or old plays only an subordinate role, in spite of Iroquois cuts and coloured hair there is no dress-code which would exclude people (e.g. from concerts) who have other hairstyles or who wear punk-scene untypical clothing. Pogo compared with Techno is only fun when danced together. Pushing and shoving and doing the pogo without looking out for others around you and picking people up who have fallen onto the floor would be no mutual fun. In my opinion, Pogo in comparison to Techno is a mutual experience. In the end, one is permitted to make an exhibition of oneself, get drunk an so on, and so forth. Through the feeling of mutuality, which I have never seen in the gay-scene, a solidarity exists in conflicts with the police or Nazis. Mutual help – this is how I have experienced it – is more or less taken for granted among punks.

Naturally, in spite of these observations, this does not mean that punks are principally better people. Prejudices and intolerance are known to all minority groups, as the experience of being an outcast oneself does not by any means create, in my opinion, political consciousness of the mechanisms of discrimination. Accordingly, some gays are anti-Semitic or hostile towards punks and women, equally Jews or punks can be hostile towards gays.

Gay Punk Tino on tour
Gay Punk Tino on tour

Because of these facts, I find it only natural that my male and female friends know that I am gay myself.  It is always exciting in the special situations in which my being gay plays a role. For example, one of my friends who got a bed for the night at my place was expecting and at the same time afraid of being sexually harassed.  That was long, long ago. Today, everyone in the punk-scene in Bremen knows that even though I am gay they can still sleep at my place, no problem.

My open door also gave people the opportunity of discrediting my sexuality.  Whilst I was absent and mis-using my trust two punks went through my photo collection looking for compromising pictures.  What they found – intimate pictures of my friend and I – was, for them, so disgusting and awful that they immediately showed them around in the scene. The result of this being I was confronted  from all quarters concerning my ‘abnormal’ intimate personal life.  I was really glad that a lot of my friends declared their solidarity towards me.  For this reason, after my first angry reactions,  I was able to take the whole affair with a pinch of salt, following the adage “If once your reputation is ruined you can live free and easy even among punks”.

I experience a certain distancing in situations in which I am asked with reproachful undertones why I (as a gay) am a punk anyway.  Naturally, it has, apart from my foible for punk-music and the punk-scene, to do with eroticism too. I like the appearance of the guys because they are so masculine.  Putting all the cliché’s to one side, being gay, I am into men and especially those who look masculine and behave in a manly manner.  Along with this, human closeness to men is as important as fucking good man-masculine sex.  This is the reason why I enjoy going to punk-concerts in my scruffy clothes, meeting and talking to nice people there, doing the pogo and getting drunk, simply having fun together.

Jörg from Bremen

schwuler punk mit iro

 Gay Punk Tino with his Iro

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Punk Konzerte in Bremen (Punk concerts in Bremen

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Fotos von Punk-Bands (Photos of punk bands

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[Gaypunk Fotos von mir und meinem Freund Tino] (Gay punk photos of me and my friend Tino)

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Rechtswidrige Massenverhaftungen (Illegal mass arrests)

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Polizeiwillkür in Genua (Police despotism in Genua)

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