Polizeigewalt auf Demo gegen die NPD

Du bist hier: Willkommen DreieckPunk: Überblick  DreieckPolizeigewalt gegen Bremer Demo gegen die NPD
You are here: Welcome DreieckPunk: Overview DreieckPolice power against Anti-Nationalistic-Demonstration in Bremen

Polizei misshandelt Demonstranten auf Demo gegen die NPD

Inhalt

Deutsche Polizei misshandelt

Eigene Erfahrungen

Polizeiliche Gewalt auf der Waller Heerstraße

Die Taktik der Demonstranten: Deeskalation

Erstatten von Anzeigen: ein sinnvoller oder ein sinnloser Schritt?

Keiner hat das Recht zu gehorchen

taz-nord vom 23.11.2006: Keule gegen NPD-Gegner. Das Foto zeigt Daniel, wie er nach einem durch einen Sturz verursachten Rippenbruch verletzt auf der Straße sitzt, während ihn Polizisten ihn von hinten mit Pfefferspray misshandeln.

taz-nord vom 23.11.2006: Keule gegen NPD-Gegner. Das Foto zeigt Daniel, wie er   nach einem durch einen Sturz verursachten Rippenbruch verletzt auf der Straße   sitzt, während ihn Polizisten von hinten mit Pfefferspray misshandeln.

Copyright © Dr. Jörg Hutter. Alle Rechte vorbehalten. Der hier veröffentlichte Artikel ist urheberrechtlich geschützt und darf nur zu privaten Zwecken herunter geladen oder ausgedruckt werden. Für andere Absichten - insbesondere das Einstellen auf Webseiten - ist das Einverständnis des Verfassers und des jeweiligen Publikationsorganes einzuholen.

Polizei misshandelt Demonstranten auf Demo gegen die NPD

Daniel Meinel und Jörg Hutter

In einer Presseerklärung vom 9.11.2006 resümiert das Bremer Bündnis gegen Rechts die Ereignisse auf der Demonstration gegen den NPD-Aufnarsch am 4.11.2006 wie folgt: "Das Bremer Bündnis gegen rechts begrüßt, dass am Samstag, den 4.11.2006 circa zehntausend Bürgerinnen und Bürger in Gröpelingen und Walle ein deutliches Zeichen gegen Faschismus und Rassismus gesetzt haben. Das Bremer Bündnis wendet sich entschieden gegen die Presseerklärung der Bremer Polizei, in der die schon im Vorfeld stattgefundene Legendenbildung über angeblich gewaltbereite Linksautonome fortgesetzt wird.

Wir erklären: aus der Demonstration heraus ist keine Gewalt ausgegangen, sondern ziviler Ungehorsam beim Überschreiten der Demarkationslinie an der Grasberger Straße. Die Gewalt ging eindeutig von den Reihen der Polizeieinsatzkräfte aus. Mehrere hundert Augenzeugen können dies bestätigen. Nicht die Polizei sorgte durch ihr martialisches Auftreten für eine Deeskalation der Situation, sondern ausschließlich das besonnene Auftreten einer Vielzahl von Demonstrationsteilnehmern aus allen Bevölkerungsschichten. Der unverhältnismäßige Einsatz von Polizeiknüppeln, Pfefferspray und scharfen Polizeihunden ohne Maulkorb führte zu erheblichen Verletzungen bei Demonstrationsteilnehmern. Das Bremer Bündnis beobachtete, dass eine vergleichbare Ausrüstung und Vorgehensweise gegenüber der NPD am Waller Bahnhof nicht eingesetzt wurde."

Diese Erklärung spiegelt exakt unsere eigenen Erfahrungen auf der Demonstration wider. Immerhin belegen mittlerweile etliche Fotos und Filmaufnahmen sowie Zeugenaussagen das gewaltsame Vorgehen der Polizeikräfte [taz-mehr-dazu].

Eigene Erfahrungen

Dem möchten wir unseren eigenen Erfahrungsbericht hinzufügen: Das in der taz-nord abgebildete Foto der Agentur Ahron belegt eindrucksvoll den aggressiven und völlig grundlosen Pfeffersprayeinsatz der Polizei gegen mich, Daniel Meinel. Ich hatte mir kurz zuvor durch einen Sturz eine Rippe gebrochen und saß verletzt auf der Straße. Die Hautreizungen waren noch zwei Tage später sehr schmerzhaft.

Die Polizeisperre in Höhe der Grasberger Straße hat die Polizei entgegen ihrer eigenen Verlautbarung selber aufgelöst, so dass der Demonstrationszug ungehindert bis nach Walle vorrücken konnte. Hierauf schien die Polizeistrategie ohnehin von vorneherein ausgerichtet zu sein. Denn bei unserer Anreise mit der Straßenbahn sahen wir die Wasserwerfer die Werftstraße von Gröpelingen kommend nach Walle fahren. Die zweite Polizeisperre ist demnach offenkundig bereits vor Beginn der Demonstration in Walle errichtet worden.

Daniel sitzt nach dem durch einen Sturz verursachten Rippenbruch verletzt auf der Straße, während ihn die Polizei von hinten mit Pfefferspray misshandelt

Hier sieht man mich, nachdem ich nach einem durch einen Sturz verursachten Rippenbruch verletzt auf der Straße sitze und Polizisten mich von hinten mit Pfefferspray beglücken. Foto: © Thomas Rassloff, [Agentur Ahron]

Polizeiliche Gewalt auf der Waller Heerstraße

Später, in Höhe der Kreuzung Wallerstr. Waller Heerstraße stand die mehrere tausend Menschen starke Demonstration über Stunden vor der zweiten, undurchdringbaren Polizeisperre aus Wasserwerfern und einem Räumfahrzeug. Allen Beteiligten war klar, das ein Weiterkommen hier nicht mehr möglich war. Zudem war uns bewusst, dass wir die von der NPD beantragte Demonstrationsroute besetzt hielten. Diesen strategischen Vorteil wollte sich keiner der Demonstrationsteilnehmer aus der Hand nehmen lassen.

Es war demnach von Seiten der Polizei unnötig, in dieses Geschehen einzugreifen. Wir standen beide ganz vorne vor der Absperrung und haben keinerlei Versuche beobachten können, dass die Polizeikette überwunden werden sollte. Dies wäre aufgrund der polizeilichen Übermacht auch sinnlos gewesen. Die Stimmung unter den Demonstrationsteilnehmern war eher heiter als aggressiv. Die Jugendlichen in dem als gewalttätig apostrophierten linksautonomen Block sprangen und hüften im Rhythmus und sangen in Richtung Polizei: "Eure Kinder sehen einmal genauso aus wie wir". Punker hatten sich in Gruppen hingesetzt und waren ebenfalls am singen: "Forever punk, forever punk ... ".

Es hätte Volksfeststimmung aufkommen können, wenn die Polizei von ihren aggressiven Verhaftungen Abstand genommen hätte. Schwer bewaffnete Polizisten stießen wiederholt von der Straßenseite in die Menge vor, um mit brutaler Gewalt einzelne Personen zu verhaften. Wir haben beobachtet, wie sich ein solcher Trupp von der Weserseite der Waller Heerstraße durch den linksautonomen Block bis ganz hinüber zur Bahnseite der Waller Heerstraße durchknüppelte, um dort einen Demonstranten festzunehmen. Es fällt schwer zu glauben, dass es sich bei diesem Zugriff über eine Distanz von 60 oder 70 Meter um eine zielgerichtete Verhaftung eines "Straftäters" gehandelt haben soll. Der Verdacht drängt sich vielmehr auf, dass der polizeilich 'verhasste' linksautonome Block aufgerieben werden sollte. Die Stimmung war durch diesen willkürlichen und aggressiven Zugriff derart aufgeheizt, dass es nur dem besonnenen Eingreifen vieler Umstehender zu verdanken ist, dass die Situation nicht weiter eskalierte.

Die Taktik der Demonstranten: Deeskalation

Die Taktik der älteren Demonstrationsteilnehmer konzentrierte sich im folgenden darauf, weitere ungerechtfertigte Zugriffe der Polizei zu verhindern. Immer dann, wenn sich die Stoßtrupps der Polizei am Straßenrand sammelten,  stellten sich ihnen ältere Frauen und Männer in den Weg. Andere versuchten durch eine Sitzblockade, ein polizeiliches Stürmen in die Menschenmenge zu verhindern.

Die polizeiliche Gewalt gegenüber den jugendlichen Demonstrationsteilnehmern ist rückblickend in jeder Hinsicht völlig unangemessen und unakzeptabel gewesen.

Erstatten von Anzeigen: ein sinnvoller oder sinnloser Schritt?

Der Bremer Senat fordert uns nun im nachhinein über seinen Senatssprecher Klaus Schloesser auf, Anzeige gegen die Polizei zu erstatten (Juristisches Nachspiel, taz bremen vom 24.11.2006).

Warum sollten wir das tun?  Die Anzeigenbereitschaft hängt in erster Linie davon ab, ob wir erwarten können, dass die Strafverfolgungsbehörden Straftäter ermitteln und verurteilen. Bei den rechtswidrigen Bremer Massenverhaftungen im Jahr 1996 hat die Staatsanwaltschaft alle eingeleiteten Strafverfahren gegen die Polizei mit der Begründung eingestellt, die Betroffenen seien ja zwischenzeitlich freigelassen. Ähnliches Schicksal erwartet die Strafanzeigen von heute. Vor Gesetz sind eben nicht alle gleich. Insbesondere die der Straftaten verdächtigen Polizisten sind gleicher als andere Bürger. Das Misstrauen gegenüber dem hiesigen Rechtsstaat, den Kriminalitätsstatistiken (rechtswidrige Handlungen von Polizisten finden dort sicher keinen Eingang) und den vollmundigen Erklärungen der Politiker (Bürgermeister Jens Böhrnsen: Die Vorwürfe müssen gründlich aufgeklärt werden, taz bremen vom 24.11.2006) ist daher wohl begründet.

Keiner hat das Recht zu gehorchen

Schließlich muss der Polizei noch in einem weiteren Punkt deutlich widersprochen werden. Das Übertreten der 'Demarkationslinie' an der Grasberger Straße ist zurecht als ziviler Ungehorsam gewertet worden, genauso wie das Ausharren auf der Waller Heerstraße, nachdem die Polizei die Demonstration für aufgelöst erklärt hat. Immerhin ging es darum, den Aufmarsch der menschenverachtenden NPD zu verhindern. Diese Partei bekennt sich offen zur nationalsozialistischen Politik. Die nationalsozialistischen Verbrecher haben sich in den Nürnberger Prozessen allesamt auf ihren Befehlsnotstand berufen. Der kritische Umgang mit Befehlen gehört daher zur demokratischen Bürgerpflicht. Die Philosophin Hannah Arendt hat den Kern getroffen, wenn sie vor dem Hintergrund der nationalsozialistischen Verbrechen formuliert:

"Keiner hat das Recht zu gehorchen."

Dieser Gedanke hat uns überzeugt.

Zurück zum Inhalt     Zurück zum Beginn

Themenverwandte Links

Zurück zum Inhalt     Zurück zum Beginn

Home Startseite www.joerg-hutter.de