Gutachten: Zuchthaus Bremen-Oslebshausen lehnt Gnadengesuch ab

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Gutachten des Zuchthauses Bremen-Oslebshausen: Nach 1945 lehnt die Gefängnisleitung das Gnadengesuch des homosexuellen Häftlings mit der Bitte auf Anrechnung der KZ-Haft ab.

(Report of the Bremen-Oslebshausen convict prison: After 1945 the prison management declines the plea for mercy of the homosexual prisoner with the request on crediting the concentration camp custody.)

Kontinuität der Verfolgung: Gutachten des Zuchthauses Bremen-Oslebshausen

Continuity of the persecution: Report of the Bremen-Oslebshausen convict prison

Abbildung: 1950 lehnt die Leitung des Zuchthauses Bremen_Oslebshausen jede Gnade ab.

(Illustration: 1950 the management of the penitentiary Bremen-Oslebshausen declines every mercy).

Transkription des Gutachtens

Stadtarchiv Bremerhaven, Gnadenheft der Staatsanwaltschaft, Akte Gns 156/50 in Akte KLs 5/46, Blatt 8, Blatt 8 Rückseite

Zuchthaus und Strafgefängnis                                        Bremen, den 20. Juni 1950
Bremen-Oslebshausen

Gefangenenbuch Nummer 3130/46.

Urschriftlich mit Geheimhaltung
an den Herrn Oberstaatsanwalt
bei dem Landgericht in Bremen
Zweigstelle Bremerhaven
B r e m e r h a v e n

zu Aktenzeichen 3Gns (=Gnadensachen) 156/50 mit folgender Stellungnahme zurückgesandt:

Der Strafgefangene Gorath, der wiederholt einschlägig vorbestraft ist, hat sich, abgesehen von einer Hausstrafe, während der Strafverbüssung gut geführt und arbeitet auch fleissig. Er kennt das Anstaltsleben zur Genüge, um sich einzuordnen. Man darf aber nicht verkennen, dass diese Einordnung einem ausgesprochenen Trieb zur Heuchelei entspringt. Er ist ein Augendiener und charakterlich bestimmt einer der unerfreulichsten Erscheinungen selbst im Zuchthaus. Ganz bedenklich ist seine anormale Veranlagung, durch die er auch in Zukunft eine grosse Gefahr darstellen wird. Er bemüht sich jetzt schon wieder um eine Anstellung im Jugenddorf Adelhaide. Diese würde eine Katastrophe bedeuten, ihn in die Gefahr neuer strafbarer  - bitte wenden -

Handlungen führen und die Jugendlichen in Gefahr bringen. Seine Mutter ist sicherlich zu bedauern, doch ist Gorath, der unzweifelhaft eine Gefahr für die Jugend darstellt, hier am besten aufgehoben.

Ein Gnadenerweis wird daher nicht befürwortet.

Der Vorstand Dr. Schlingmann                                      Der Vollzugsleiter Dr. Duckwitz

Nachweis zu den Unterschriften: Staatsarchiv Bremen, Behörden-Fernsprechbuch der Freien Hansestadt Bremen, Bremen 1951, S. 6.

Zur Kontinuität der Strafverfolgung

Der Anwalt von Karl Gorath, Dr. jur. Hans Obenauer, hatte seinen Antrag auf Haftverschonung von neun Monaten - bei einer Gesamtstrafe von fünf Jahren - unter anderem mit dem Argument der rechtswidrigen KZ-Haft im Anschluss an die vorherige Strafe zu begründen versucht. "Es wird auch zu berücksichtigen sein, dass er nach Verbüssung der vorherigen Strafe noch rund zweieinhalb Jahre im KZ zugebracht hat." (Obenauer, Hans (18.04.1950): Stadtarchiv Bremerhaven, Gnadenheft der Staatsanwaltschaft, Akte Gns 156/50 in Akte KLs 5/46, Blatt 7.).

Diese Argumentation ließ die Strafanstalt völlig unbeeindruckt. Die um Stellungnahme gebetenen Richter schließlich wollten oder konnten sich gegen dieses in seinem Tenor vernichtende Urteil nicht durchsetzen. Die Strafanstalt lehnte eine vorzeitige Haftentlassung auch nach zwei weiteren Gadenersuchen kategorisch ab. Selbst die Mitteilung über die Entlassung des Gefangenen vom 11. April 1951 ist in ihrem homophoben Charakter kaum zu überbieten. Unter der Kategorie "ausgeübter Beruf" hieß es statt "Jugendpfleger" "Jugendpflegerin" (Strafanstalten Bremen-Oslebshausen (11.04.1951): Mitteilung des Abganges eines Gefangenen, Stadtarchiv Bremerhaven, Akte KLs 5/46, Blatt 192).

Festzustellen ist, dass sich beide Gutachten der Zuchthäuser - das aus Celle von 1942 und das aus Bremen von 1951 - extrem negativ auf die weiteren Verfolgungsmaßnahmen ausgewirkt haben. Das Urteil aus Celle ebnete den Weg in die Konzentrationslager, die Bremer Stellungnahme vereitelte jede Haftverschonung. Zudem atmen beide Texte den selben homosexuellenfeindlichen Geist. 1945 hat es demnach keine Zäsur gegeben. Die Verfolgungsmaßnahmen reihen sich hingegen bruchlos aneinander. Diese Kontinuität ist erklärungsbedürftig. Wer konnte aus welchen Gründen ein Interesse an der weiteren unnachgiebigen Strafverfolgung der Homosexuellen haben - übrigens eine Verfolgung nach dem selben von den Nationalsozialisten verschärften Paragraphen 175?

Transcription of the report

English translation follows soon

 

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